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Sex und ADHS bei Männern

Sex und ADHS bei Männern

ADHS ist keine Krankheit, aber eine Herausforderung

Die Forschung der letzten 20 Jahre hat bestätigt, was zuvor lange noch unklar war: ADHS ist keine psychische Erkrankung, die durch ungünstige Umstände in der Kindheit ausgelöst wird und deswegen durch klassische psychotherapeutische Verfahren wie z.B. Psychoanalyse behandelt werden könnte.

Vielmehr ist ADHS eine genetische Veranlagung, die mit Vorteilen und Nachteilen verbunden ist, so wie jede andere charakterliche Akzentuierung auch. Erst ab einer bestimmten Stärke der Symptomatik und den dabei einher gehenden Beeinträchtigungen im Alltagsleben kann von einer psychischen Störung gesprochen werden.

Zu den großen Vorteilen gehört bei vielen Menschen mit ADHS eine große Begeisterungsfähigkeit und die Möglichkeit zur Hyperfokussierung: sie können hier manchmal geradezu Zeit und Raum vergessen und deutlich leistungsfähiger sein als ihre Mitwelt.

Der Nachteil dagegen ist eine starke Ablenkbarkeit bei allem, was nicht besonders interessant, unangenehm oder langweilig erscheint. Die Aufmerksamkeitsspanne ist hier deutlich kürzer als bei anderen Menschen. Häufig kommt dazu auch ein Aufschiebeverhalten (Prokrastination), was dazu führt, dass solche Aufgaben zu spät oder sehr unkonzentriert und fehlerhaft erledigt werden.

Ob ein Mensch mit ADHS darunter leidet oder nicht, hängt also vor allem davon ab, ob er ein soziales und berufliches Umfeld findet, in dem er seine persönlichen Stärken ausleben kann.

Sex und ADHS bei Männern: typische Gründe für eine Psychotherapie

Sex und ADHS bei Männern ist ein wichtiges Thema in der Sexualtherapie. Häufigster Anlass ist mangelnde Impulskontrolle und niedrige Frustrationstolerenz, dazu ein Problem im Umgang mit eigenen Emotionen.

Beispielgeschichte 1: Christian, 32 Jahre alt, liebt seine Freundin Charlotte (28) und möchte mit ihr zusammenziehen und sie heiraten. Das Ausräumen seiner alten Wohnung bereitet ihm wenig Freude, da er sich dort jahrelang zuhause gefühlt hat. Statt die Umzugskisten zügig einzuräumen, fällt ihm ein, dass er sich schon länger nicht mehr bei der alten Schulfreundin Monika gemeldet hat, die auch in der Stadt wohnt, die er jetzt verlassen wird. Er ruft Monika kann, die beiden treffen sich- und daraus entwickelt sich eine Affäre, die Christian so eigentlich überhaupt nicht haben wollte.

Beispielgeschichte 2: Lukas, 35 Jahre alt, verstreitet sich immer wieder über eigentlich völlig nichtige Gründe mit seiner Frau Conny (32), die er eigentlich unendlich liebt. Neulich ist der Streit dadurch eskaliert, dass sie ihn nach dem Frühstück gefragt hat, ob er gestern daran gedacht hat, neue Getränkekisten vom Getränkemarkt mitzubringen. Lukas war eigentlich stolz darauf, diesmal tatsächlich daran gedacht zu haben- reagierte aber auf Connys Frage mit einem Wutausbruch: „Warum unterstellst du mir, dass ich nie etwas von den Aufgaben erledige, die ich mir vorgenommen habe? Warum siehst du in mir immer nur das Schlechte? Ich habe wirklich keine Lust mehr, mit einem Menschen wie dir meine Zeit zu verbringen!“ Folge ist, dass Conny ihm erklärt, die Beziehung auflösen zu müssen, wenn er an seinem Verhalten nichts ändert- und beide paartherapeutische Hilfe suchen.

Sex und ADHS bei Männern: wie Psychotherapie helfen kann

ADHS verursacht nicht notwendigerweise psychische Probleme, sondern ist eher als eine charakterliche Akzentuierung mit Vor- und Nachteilen zu sehen. Deshalb geht es bei einer Psychotherapie zum Thema Sex und ADHS bei Männern vor allem ganz handfest um das Verstehen der eigenen psychischen Gebrauchsanleitung.

  • Am wichtigsten ist es, zu wissen, ob ich ADHS habe oder nicht. Eine entsprechendes psychologisches Screening dauert etwa 2-3 Stunden und verschafft Klarheit. Wenn ich die Testung für rechtliche oder medizinische Zwecke benötige, muss die Testung durch einen Arzt (Psychiater) erfolgen. Erfahrungsgemäß haben dazu leider nur die wenigsten Psychiater die notwendige Zeit. Wenn es sich „nur“ um den privaten Wunsch nach Gewissheit über die Diagnose handelt, kann das Screening auch in jeder Praxis für Psychotherapie erfolgen, so der oder die TesterIn über das entsprechende Fachwissen verfügt.
  • Sobald eine klare Diagnostik vorliegt, geht es um die Erstellung einer Gebrauchsanweisung für sich selbst. Diese Gebrauchsanweisung ist etwas sehr Individuelles, was Klient und Therapeut gemeinsam in den Folgesitzungen besprechen können.
  • Ein häufiges Thema ist Impulskontrolle. Wie erkenne ich, unter welchen Umständen ich besonders anfällig für den Verlust der Impulskontrolle bin und mich zu Handlungen hinreißen lasse, die ich eigentlich gar nicht tun will? Was kann ich ggf. schon im Vorfeld dafür tun, um gar nicht erst in Situationen zu geraten, die mich in einen solchen Kontrollverlust bringen können?
  • In diesem Zusammenhang spielt häufig auch das richtige Planen von Aufgaben, auch im privaten Bereich, eine große Rolle. Wenn ich genügend Puffer einbaue und komplexe Aufgaben in genügend Einzelschritte zerlege, komme ich weniger unter Druck und unter Stress- und kann folglich auch vernünftiger handeln.
  • Der Umgang mit eigenen Emotionen ist ein besonders wichtiges Thema. Oft kennen Menschen mit ADHS keinen Weg, die eigenen Emotionen so zu nützen, dass daraus auch ein sinnvolles, lösungsorientiertes Verhalten erwachsen kann. Deswegen ist das Erlernen eines Grundwissens über Emationalität (Psychoedukation) sehr wichtig, darüber hinaus auch das Wissen um Techniken, angemessene Emotionen (z.B. Liebe in der Partnerschaft) positiv nutzen zu können und in ihrer Stärke unangemessene Reaktionen (z.B. spontane, zügellose Wut) abzuschwächen.

Eine Online-Beratung könnte ein erster Schritt sein. Für Rückfragen, am besten per Mail, stehe ich gern zur Verfügung

Dr. hum.biol. Michael Petery
michael@petery.eu

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BDSM und Fetisch Beziehungsprobleme Missbrauch Paartherapie und Eheberatung

Bedeutet ein Besuch bei einer Domina Fremdgehen?

Ist ein Besuch bei einer Domina Fremdgehen?

Was ich schon lange wissen wollte: Ist aus sexualtherapeutischer Sicht ein Besuch bei einer Domina Fremdgehen?

Ich, männlich 42, bin mit meiner Frau schon über 15 Jahre zusammen. Seit fast 12 Jahren sind wir verheiratet und haben 2 Kinder Meine Frau ist für mich meine absolute Traumfrau – menschlich gibt es keine bessere Frau die zu mir passen könnte! Wir haben eine TOP Beziehung und lieben uns sehr.

Leider gibt es einen kritischen Punkt, der mich ziemlich kaputt macht… Ich habe schon im Jugendalter Lust auf dominante Frauen bekommen – leider nie richtig ausgelebt – außer durch Videos im Internet anzuschauen.

Meine Frau weiß darüber alles – aber sie sagt auch eindeutig, dass sie diese Praktiken bei mir nicht machen möchte, da sie sich nicht wohl dabei fühlt. Aber sie will auch nicht, dass ich zu einer Domina gehe…

Ich verstehe meine Frau und versuche jetzt schon viele Jahre alles zu unterdrücken – doch irgendwie wird alles schlimmer „die Sehnsucht“… Aber meine Frau möchte ich ja nicht drängen! und ich habe es bestimmt schon sehr oft bei ihr versucht – doch setze hier ja unsere tolle Beziehung aufs Spiel…

Was raten Sie mir? Ich habe mich im Internet viel eingelesen und die Tipps, mit meiner Frau zu reden, habe ich schon mehr als dreimal versucht. Immer gab es leider Streit und Tränen, was mir sehr weh getan hat – denn ich kann meine Frau nicht mit Tränen sehen… Aber ich zügel mich eine gefühlte Ewigkeit und weiß nicht weiter…

Deshalb kommt immer und immer wieder der Gedanke einmal zu einer Domina zu gehen… (Es zereißt mich innerlich und nervlich, denn: Meine Frau ist mein Heiligtum!)

Marius C. (Name geändert)

Bedeutet ein Besuch bei einer Domina Fremdgehen? Eine gar nicht so seltene Frage…

Hallo Marius,

es gibt viele Männer, die sich diese Frage stellen. Die meisten Männer, die eine Domina aufsuchen, machen das wohl heimlich und berichten ihren Frauen nicht davon.

Auf den ersten Blick spricht einiges dafür, dass der Besuch bei einer Domina nicht das Gleiche ist wie Fremdgehen. Bei den meisten Paarbeziehungen, die am Fremdgehen eines Partners scheitern, ist die tiefste Verletzung weniger der Sex an sich, sondern die Tatsache, dass ein Dritter oder eine Dritte wichtigste Vertrauensperson des Partners wurde.

Der Vertrauensbruch beim Fremdgehen besteht darin, dass jemand, der fremdgeht, einen höheren Grad an Intimität und Gemeinsamkeit mit einer dritten Person lebt als mit dem eigenen Partner bzw. der eigenen Partnerin. Schliesslich weiss der/die Aussenstehende dann in der Regel mehr von den geheimen Sehnsüchten, Leidenschaften und Gefühlen des Menschen, der fremdgeht, als der betrogene Partner, der auf genau diese Offenheit den eigentlichen Anspruch hätte.

Denn das ist ja die Grundlage einer Partnerschaft: sich zu versprechen, dass der jeweils andere Partner für einen selbst die Nr. 1 im Leben ist und bleibt.

Bedeutet ein Besuch bei einer Domina Fremdgehen?

Wenn doch gar keine neue Beziehung entsteht…

Eine Domina ist in gewisser Hinsicht eine Schauspielerin. Auch wenn für die Dauer der bezahlten Sitzung eine intensive (sexuelle) Beziehung vorgespielt wird, kommt es zu keiner tatsächlichen emotionalen Intimität, die in irgendeiner Weise mit einer Lebenspartnerschaft vergleichbar wäre.

Domina-Sex ist eine Dienstleistung: Wenn kein Geld mehr fliesst, ist die Beziehung zu Ende.

 

Warum die Partnerin sich verletzt fühlen kann.

Das Problem beim Sex mit einer Domina (bzw. bei einem SM-Spiel mit einer Domina, weil sich nur die wenigsten Dominas auf tatsächlichen Sex mit Austausch von Körperflüssigkeiten einlassen) liegt also weniger darin, dass nun eine aussen stehende dritte Person den exklusiven Status der eigentlichen Partnerin gefährdet.

Das Problem kann aber darin liegen, dass die eigentliche Partnerin vorgeführt bekommt, dass sie den geheimen sexuellen Neigungen ihres Partners nicht genügt. Und das kann für sie ausgesprochen schmerzlich sein.

So kann sich daraus auch die Angst entwickeln, der Partner wäre nur noch auf Absprung bei ihr- so lange bis er vielleicht auch im wirklichen Leben eine dominaähnliche Frau findet, mit der er nicht nur stundenweise sondern dauerhaft zusammen bleibt.

Domina-Sex: Lassen sich die Vorbehalte der eigenen Lebenspartnerin ausräumen?

Eine schwierige Frage, die immer nur individuell beantwortet werden kann. Es gibt tatsächlich Frauen, die keine Lust auf SM-Spiele in der Partnerschaft haben und es deshalb ihren Männern erlauben, diesen Teil der Sexualität bei professionellen Dominas auszuleben.

Das fällt umso leichter, je deutlicher die Männer aufzeigen können, warum sie diese Form des Sex neben der Partnerschaft brauchen und warum dieses Interesse an SM kein insgeheimer Wunsch nach einer sexuell „besseren“ Partnerin darstellt, der langfristig in der Aufkündigung der Beziehung enden könnte.

 

Ist Geheimhaltung ein geeigneter Schutz?

Geheimhaltung beim Sex ist ein Spiel mit dem Feuer. Wenn die Partnerin von sich aus durch irgendeinen Zufall (oder auch duch gute Beobachtungsgabe-und Frauen kennen ihre Männer in der Regel sehr gut, so dass ihnen jede kleine Verhaltensveränderung auffällt) herausfindet, dass ihr Partner geheimen Kontakt mit einer Domina hatte: dann wird sie in der Regel das Schlimmste vermuten und den Mann kurz vor dem Absprung aus der Partnerschaft sehen. Von daher ist die Geheimhaltung aus psychologischer Sicht nicht zu empfehlen- jedenfalls dann nicht, wenn dem Mann etwas an seiner eigentlichen Partnerschaft liegt und er diese nicht gefährden möchte.

Was bleibt also übrig als Lösung? Von der Logik her gibt es nur zwei Möglichkeiten: auf den Besuch bei der Domina zu verzichten oder der eigenen Partnerin verständlich zu machen, warum ich als Mann den Domina-Besuch brauche und warum das keine Gefährdung der Partnerschaft darstellt. Für beide Lösungen kann es sinnvoll sein, sich sexualtherapeutische Hilfe zu holen.

Wobei kann ein Sexualtherapeut helfen?

Die meisten Männer, die sich nach SM-Sex sehnen, kennen den Grund dafür nicht. Und deswegen können sie ihren Partnerinnen auch nicht klarmachen, warum sie diese Form sexueller Stimulation -jedenfalls von Zeit zu Zeit- benötigen. Eine Sexualtherapie könnte in zweifacher Hinsicht helfen:

1. als paartherapeutisches Setting: dabei können sich beide Partner unter fachkundiger Supervision über ihre sexuellen Wünsche austauschen- und der Mann mit dem Wunsch nach SM im Dominastudio kann klar formulieren, warum dieser Wunsch für die Partnerschaft keine Gefahr darstellt.

2. Als Einzelsitzung: Der Wunsch nach SM hat häufig etwas mit sexuellen Traumatisierungen, meist in der Kindheit, zu tun. Sexuelle Übergriffe von Erwachsenen (und das müssen nicht unbedingt explizite Handgreiflichkeiten sein- es reicht bereits eine Sexualisierung der Beziehung des Erwachsenen zum Kind, aus der der Erwachsene sexuellen Lustgewinn zieht) bedeuten eine extreme Ohnmachtserfahrung des Kindes bei gleichzeitiger nie erwünschter sexueller Stimulation.

In einer gespielten SM-Situation hat nun der Erwachsene die Möglichkeit, sich sozusagen freiwillig selber wieder in eine solche scheinbare Situation sexueller Ohnmacht zu bringen. Diese Situation ist dann ähnlich erregend oder sogar erregender als das traumatische Ausgangserlebnis und kann als eine Art Sieg über die Angst oder das Beklemmungsgefühl erlebt werden, welche mit dem Ursprungserlebnis verbunden waren. Kurz gesagt: der Besuch im Domina-Studio kann eine mehr oder weniger glücklich gewählte Bewältigungsstrategie für sexuelle Traumata darstellen.

Die therapeutische Aufarbeitung solcher Zusammenhänge kann dazu führen, dass fer Wunsch nach der Domina nachlässt. Sie kann aber auch zum Ergebnis führen, dass der Domina-Sex ohne Schuldgefühle in das eigene Leben integriert werden kann und der Betroffene auch seiner Partnerin erklären kann, warum er aufgrund seiner sexuellen Biographie diese zweite Form des Sex hin und wieder braucht und warum das mit seiner Liebe zur Partnerin schlichtweg überhaupt nichts zu tun hat.

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© M.Petery

Wenn Sie möchten, können Sie sich mit weiteren Fragen gern an mich wenden.

Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

Weitere Infos: Sexuelle Zwangsgedanken- wie wird man sie los?

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Probleme in der Partnerschaft Sexualtherapie- Fragen, Ablauf, Behandlung, Theorie

Reden über Sex

Reden über Sex-Interview mit Dr. Michael Petery

Reden über Sex- warum halten Sie es aus der therapeutischen Sicht für wichtig, das Thema Sex mit dem Partner bzw. Sexpartner von einer etwas trockeneren Seite anzugehen und zu besprechen?

Wir Menschen sind alle unterschiedlich, nicht nur genetisch, sondern auch durch unsere Erziehung, durch unsere persönlichen Erfahrungen. Das bedeutet: niemand kann davon ausgehen, dass seine Partnerin oder sein Partner bei Sex genau dieselben Vorstellungen haben wie man selber. Und das, obwohl im Zustand der Anfangsverliebtheit die meisten Paare glauben, der andere wäre die 100%-Ergänzung zu einem selbst.

Natürlich kann man eine Menge schönen Sex gemeinsam auch nonverbal und spielerisch herausfinden. Das ist eine großartige Sache, die viel Spaß macht! Trotzdem besteht da die Gefahr, nur durch Spiel und Probieren wichtige gemeinsame Möglichkeiten zu übersehen, was sich durch gemeinsames Drüberreden vermeiden ließe.

Und richtig notwendig ist das Reden dann, wenn es beim Sex Probleme gibt. Mir sind zum Beispiel in meiner Praxis bereits Männer begegnet, die ich gefragt habe, ob Ihre Partnerin beim Sex einen Orgasmus bekommt. Und die dann sagten: Wahrscheinlich ja, aber ich weiß es nicht. Spätestens da wäre es unbedingt angezeigt, miteinander zu reden.

Reden über Sex- inwiefern kann es den Sex verbessern, wenn man darüber spricht?

Den besseren Sex gibt es dadurch, dass sich die beiden Partner besser kennenlernen. Erstaunlich viele Leute haben immer noch das traditionelle Normsex-Konzept im Kopf: Sex funktioniert nach diesem Modell so: der Mann dringt bei der Frau ein, dann dauert der Koitus mindestens 3, aber höchstens 15 Minuten- und die Frau bekommt einen Orgasmus, der Mann bekommt einen Orgasmus, und das war´s.
Diese Art von Sex funktioniert in der Praxis bei den wenigsten Paaren. Es gibt viele Männer und Frauen, die ihren Orgasmus überhaupt nicht beim Koitus bekommen. Und die trotzdem guten Sex haben! Wobei dann der Koitus ein Vorspiel sein kann, das die Erregung aufbaut, und der Orgasmus erst danach stattfindet. Das tut der Zärtlichkeit beider Partner keinen Abbruch.

Da ist es wichtig, die sexuellen Bedürfnisse und Wünsche des anderen Partners zu kennen. Und zu wissen: Genau das ist es, was meiner Partnerin oder meinem Partner gefällt. Wer nicht darüber redet, wird solche Wünsche jenseits des Normsex nur sehr schwer herausfinden.

Erst recht gilt das für etwas ausgefallenere Wünsche wie z.B. die Frage, ob dem/der eigenen Partner/in Fetischkleidung oder Toys im Bett gefallen oder ob BDSM etwas sein könnte, was beiden Spaß macht. So etwas lässt sich mit Sicherheit im Gespräch besser herausfinden als durch den Überraschungsangriff im Schlafzimmer.

Reden über Sex- wo machen Sie zwischen Dirtytalk, Sexting und einem normalen Gespräch über den Sex in der Partnerschaft die Unterschiede fest?

Dirtytalk bedeutet, sich gegenseitig durch eine stark sexualisierte Sprache zu erregen. Sexting meint den Austausch erotischer Nachrichten oder Bilder per Handy.

Das beides sind sexuelle Praktiken, die in den Bereich der Verbalerotik gehören. Dirtytalk und Sexting sind kein Reden über Sex, sondern bereits praktizierte Sexualität. Deshalb ist es wichtig, dass Dirtytalk und Sexting nur im gegenseitigen Einverständnis aller Beteiligten stattfinden- ansonsten wäre das ein sexueller Übergriff ganz ähnlich wie ungefragtes Angrapschen.

Reden über Sex ist eine ganz andere Sache. Vielleicht lässt sich das am besten im Vergleich mit der Planung eines Galadinners vergleichen. Die gemeinsame Planung macht Spass und kann das spätere Festessen erheblich verbessern. Aber die Planung ist noch nicht das Essen selbst. Sexting dagegen kann eine Vorspeise sein und Dirtytalk das passende Gewürz.

Das Reden über Sex kann in diesem Sinne eine Art Vorplanung sein- es kann aber auch zur Nachbesprechung dienen, genauso wie nach dem Galadinner, um es das nächste Mal vielleicht noch anders oder noch aufregender zu gestalten- oder auch um festzustellen, dass es genauso absolut wunderbar gewesen ist.

Ist das Gespräch über den Sex tendenziell eher unsexy?

Das Reden über Sex ist nicht der Sex selbst, genauso, wie das Kochrezept nicht das richtige Essen ersetzt. Aber auch das Reden über Sex kann bereits den Appetit anregen. Insofern kann also auch Reden über Sex durchaus sexy sein.

Wobei haben die meisten ihrer Klienten Schwierigkeiten, wenn Sie ihnen empfehlen über den Sex zu sprechen?

Den meisten Menschen fällt das Reden über Sex schwer, weil wir das in unserer Gesellschaft nie gelernt haben. Auch Paare, die schon viele Jahre miteinander zusammen sind, wissen oft nicht, welche erotische Fantasien der andere beim Sex hat oder ob der/die andere für sich allein gerne masturbiert.

Richtig schwierig wird es, wenn es um besondere Vorlieben wie Fetischismus oder BDSM geht. Da haben eigentlich fast alle Schwierigkeiten, wie sie darüber mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner reden sollen. Häufig ist ein solches Gespräch erst in der geschützten Umgebung einer Paartherapie möglich.

Dabei ist es absolut wichtig, gerade über solche Fantasien und Wünsche zu sprechen, wenn es in einer Beziehung sexuelle Probleme gibt. Nur wenn beide Partner wissen, was den anderen richtig heiß macht, kann sich das Sexleben verbessern.

Nicht in dem Sinne, dass jetzt alles ausgelebt werden muss, was da an Fantasien und Wünschen hochkommt: Bei jedem Paar gibt es immer Vorlieben, die nur der eine mag und der andere gar nicht. Aber ohne das gemeinsame Reden lassen sich neue Gemeinsamkeiten, die beiden gefallen, nur schwer finden.

Wie waren die Erfahrungen ihrer Klienten, nachdem sie es schließlich versucht haben?

Das Reden über Sex kann eine riesige Erleichterung sein. Das gilt übrigens nicht nur für Paare, sondern auch für Einzelklientinnen und -klienten, die in ihrer Therapie das erste Mal zum Beispiel über sexuelle Versagensängste oder sexuelle Zwangsgedanken reden konnten.

Das Reden ist der erste Schritt zu mehr Freiheit, zu mehr Lebensqualität und zu besserem Sex.

Wie äußert man seine Wünsche am besten? Besonders auch ausgefallene Wünsche?

Sinnvoll ist es, bei sexuellen Wünschen die Partnerin oder den Partner nicht mit direkten Fragen zu überfallen, auf die sie oder er nur mit Ja oder Nein antworten kann. Es ist zum Beispiel auch in einer langjährigen Beziehung mit Sicherheit keine gute Idee, aus heiterem Himmel im Schlafzimmer mit einem Paar Handschellen anzukommen und zu sagen: „Ich bin übrigens ein Fan von Bondage. Darf ich dich mal ans Bett fesseln?“ Die Gefahr, dass die oder der andere dann gleich Nein sagt, ist hoch- und sei es nur deswegen, weil es der bzw. dem anderen peinlich ist, so plötzlich und so direkt mit einer solchen Frage konfrontiert zu werden.

Viel besser ist es, das Ganze etwas langfristiger anzugehen und das Thema eher indirekt anzusprechen. Und am besten nicht beim Sex und nicht im Schlafzimmer, sondern vielleicht bei einem gemeinsamen Spaziergang, wo die oder der andere nicht befürchten muss, das diese Wünsche jetzt sofort in Realität umgesetzt werden.

Das könnte etwa so gehen: „Was ich dir von mir schon immer mal erzählen wollte, ist, dass mich die Vorstellung von Bondage und Fesseln ziemlich erregt. Wie geht es dir eigentlich mit dem Thema?“ An der Reaktion des anderen wird dann ziemlich schnell klar, ob das Gespräch weitergehen kann oder nicht. Und auch wenn die oder der andere nicht darüber reden mag, dann hat es zumindest keine definitive Abfuhr gegeben- und vielleicht kommt irgendwann wieder eine neue Gelegenheit, darüber zu reden.

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© M.Petery.
Wenn Sie möchten, können Sie sich mit weiteren Fragen gern an mich wenden.

Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

Vgl. auch
mein Interview bei ze.tt Wie sich euer Sex verbessert, wenn ihr öfter drüber redet (Zeit online)
und meinen Beitrag Bedürfnisse beim Sex: Wie rede ich darüber?

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Die 5 häufigsten Beziehungskiller- und was man dagegen tun kann

Hier haben wir die Liste der 5 gefährlichsten Beziehungskiller zusammengestellt- und die Methoden, wie sie sich am besten vermeiden lassen.

Weniger als 10 Jahre- das ist die durchschnittliche Dauer von Beziehungen in Deutschland- ganz egal, ob mit oder ohne Trauschein. Dabei sind es fast immer die gleichen 5 Ursachen, warum es mit einer Beziehung zu Ende geht. Wer diese Beziehungskiller kennt, kann sie rechtzeitig handeln, bevor die Beziehung ernsthaft in Gefahr gerät.

Beziehungskiller Nr. 1:
Unzufriedenheit mit dem Sex

Das häufigste Beziehungsproblem überhaupt: Mit dem Sex stimmt etwas nicht (mehr). Absolute Warnsignal sind:

  • Der Sex macht einem oder beiden Partnern keinen Spaß mehr.
  • Der Sex findet nur noch selten oder gar nicht statt.

Wenn im Bett nichts mehr läuft, kann es sich lohnen, in einige Stunden bei einem Paartherapeuten zu investieren. In vielen Fällen reicht es aber auch schon aus, dass die Partner das Problem überhaupt wahrnehmen. Guter Sex setzt zum Beispiel voraus, genügend Zeit für sinnliche Zweisamkeit besteht: und das bedeutet mehr als eine Viertelstunde vorm Einschlafen! Besser ist, sich am Wochenende ein paar erotische Stunden freizuhalten: wozu dann auch ein gemeinsames Bad oder ein Candle-Light-Dinner als Vorspiel gehört.

Für befriedigenden Sex, der mehr ist als nur die unbedingt erforderliche Triebabfuhr, ist das „Drumherum“ absolut entscheidend. Am besten ist die bewusste Vorbereitung einer erotischen Atmosphäre, welche alle Sinne gleichermaßen anspricht:

  • Sehen: Ansprechende Beleuchtung (z.B. durch Kerzen oder Dimmer)
  • Hören Anregende Musik (nach individuellem Geschmack: von Kuschelrock bis Heavy Metal)
  • Riechen: Parfüm, Duftkerzen…
  • Schmecken: gemeinsames Essen kann ein wunderbares Vorspiel sein!
  • Fühlen: sexuell anregende Kleidung, schöne Dessous oder auch etwas Aufregendes für Sie und Ihn aus dem Fetisch-Bereich (Lack, Leder, Latex)

Beziehungskiller Nr. 2:
Schwierigkeiten im Miteinander-Reden

Wenn die Partner nicht mehr über alle Themen offen miteinander reden können, ist die Beziehung ernsthaft in Gefahr. Der kritische Moment ist erreicht, wenn es bestimmte Tabu-Themen gibt, über die nicht mehr gesprochen werden kann.

Besonders schlimm für eine Beziehung ist es, wenn die Partner über ihre sexuellen Wünsche und Bedürfnisse nicht offen sprechen können. Die Ursachen dafür können vielfältig sein:

  • Die eigene Scham: Bin ich pervers, wenn ich diese oder jene neue Spielart des Sex ausprobieren möchte?
  • Die Angst, vom Partner verletzt zu werden: Der Partner/ die Partnerin könnte ja sagen: „Was? Das willst du ausprobieren? Für so pervers hätte ich dich niemals gehalten.“
  • Die Furcht, selber den Partner zu verletzen : Der Partner/ die Partnerin könnte durch meine Anfrage beleidigt sein und meinen: „Ach so, unser bisheriger Sex hat dir also nicht richtig gefallen. Und ich dachte immer, wir hätten es rundum schön miteinander.“

Wer seine Bedürfnisse nicht mitteilt, bleibt auf Dauer unbefriedigt. Deshalb ist es so wichtig, sich hier nicht vorzeitig selbst auszubremsen. Wenn es in einer Beziehung schwer fällt, über alle Themen offen zu reden und insbesondere auch über die eigenen sexuellen Bedürfnisse, dann lohnt es sich unbedingt, in einige Stunden Paartherapie zu investieren.

Beziehungskiller Nr. 3:
Umgang mit negativen Gefühlen

In jeder Beziehung gibt es Punkte, wo ein Partner mit dem Verhalten des anderen nicht zufrieden ist. Das ist völlig normal. In gewisser Hinsicht ist eine Beziehung ja auch erst dadurch interessant, dass beide Partner unterschiedlich sind und sich immer wieder neu miteinander auseinandersetzen müssen.

Problematisch wird diese Unterschiedlichkeit erst dann, wenn kritische Punkte in einer Beziehung entweder überhaupt nicht oder nur in verletzender Form ausgesprochen werden können:

Probleme nicht offen anzusprechen ist keine Lösung:

  • Denn erstens sind die Probleme auch dann vorhanden, wenn man sie nicht anspricht- und unausgesprochene Probleme haben die Tendenz, immer weiter zu wachsen, bis irgendwann tatsächlich keine Lösung mehr möglich scheint.
  • Und zweitens lassen sich Probleme nur dann beheben, wenn man gemeinsam darüber redet und nach Lösungen sucht.

Verletzende Sprache ist keine Lösung:

  • Wenn man wütend ist, kann es gut tun, die eigene Anspannung auch einmal mit kräftigen Worten loszuwerden- das kann kurzfristig ausgesprochen gut tun, ist aber keine gute Strategie für die Partnerschaft.
  • Verletzende Worte können wenigen Sekunden das gesamte Vertrauen des Partners verspielen- und auch Worte der Entschuldigung schaffen es nur schwer, dieses Vertrauen wiederherzustellen.

Beim Umgang mit negativen Gefühlen gegenüber dem Partner sind also neue Umgangsstrategien nötig:

  • Negative Gefühle aussprechen statt Runterschlucken.
  • Sachlicher Kommunikationsstil, um nicht unnötige zusätzliche Verletzungen zu erzeugen

Wenn das in einer Partnerschaft schwierig erscheint, kann ein Besuch bei einem Paartherapeuten weiterhelfen.

Beziehungskiller Nr. 4:
Langeweile in der Beziehung

Wenn beide Partner keine neuen Ideen mehr haben und in der Beziehung immer nur dasselbe läuft, ist die Partnerschaft insgesamt in Gefahr. Langeweile ist der Lustkiller schlechthin.

Damit das gar nicht erst so weit kommt, sind einige psychologische Grundregeln für die Beziehung zu beachten.

  • Die Langeweile offen ansprechen: Es bringt nichts, den Partner darüber im Unklaren zu lassen, wenn einem selbst die Beziehung langweilig wird. Änderung kann es nur geben, wenn beide wissen, dass es einen Änderungsbedarf gibt
  • Eigene Bedürfnisse kennen und mitteilen: Es bringt nichts, einfach nur zu sagen: Mir ist langweilig! Besser ist es mit eigenen neuen Ideen anzukommen und zu prüfen, was davon auch dem Partner gefallen könnte.
  • Neuer Schwung für den Sex: Aufregend kann es sein, neue Seiten des Sex zu entdecken, die es bisher so in der Partnerschaft noch nicht gegeben hat, also z.B. interessante Toys, Sex im Freien, gemeinsamer Besuch einer Fetish-Party etc…
  • Neuer Schwung für die Partnerschaft: Maßnahmen gegen die Langeweile müssen nicht unbedingt auf den sexuellen Bereich beschränkt sein. Oft reicht es aus, ganz allgemein etwas Neues miteinander zu unternehmen: z.B. eine neue gemeinsame Sportart entdecken oder gemeinsam einen interessanten Wochenendtrip vorzubereiten.

Beziehungskiller Nr. 5:
Zu wenig Zeit füreinander

In einer funktionierenden Beziehung brauchen beide Partner Zeit füreinander- und zwar nicht nur nach Feierabend im Zustand der Totalerschöpfung. Gemeinsame Unternehmungen sind wichtig, um eine Beziehung stabil zu halten, außerdem Zeit für Gespräche- und natürlich ausreichend Zeit auch für erotische Momente.

Gerade wenn die Zeit eng wird durch zusätzliche Belastungen (z.B. Beruf, Kinder, Pflege etc.), ist es wichtig, dass sich beide Partner ausreichend Zeit reservieren, die nur ihnen beiden gehört- und niemandem sonst.

Qualitätszeit zu zweit gehört in den Terminkalender- gerade dann, wenn der durch sonstige Termine schon gut gebucht ist. Und die Termine zu zweit gehören zu den wichtigsten im Kalender: auf gar keinen Fall dürfen die zugunsten anderer beruflicher oder familiärer Verpflichtungen gestrichen werden!

Denn eine Beziehung lebt von der Zeit, die man miteinander verbringt. Und die Investition lohnt sich gleich doppelt: Wer in seiner Beziehung glücklich ist, empfindet auch in den übrigen Lebensbereichen mehr Lebensqualität- und ist obendrein bei der Erledigung anstehender Aufgaben im Alltag auch sonst erfolgreicher!

Wenn Sie dazu weitere Fragen haben, freue ich mich über Ihre Nachricht.

Mit freundlichen Grüßen
© M.Petery.
Ihr Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

 

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Paartherapie und Eheberatung Probleme in der Partnerschaft Sexualtherapie- Fragen, Ablauf, Behandlung, Theorie

Persönlichkeitsstörungen in der Partnerschaft

Persönlichkeitsstörungen- eine Aufgabe für die Sexualtherapie

Persönlichkeitsstörungen sind als Krankheitsbild in der Öffentlichkeit weithin unbekannt. Und das, obwohl die Ergebnisse verschiedener wissenschaftlicher Studien vermuten lassen, dass etwa 10% der Bevölkerung in Deutschland an einer Persönlichkeitsstörung leiden. Dazu kommen noch weitere Menschen, die zwar das Vollbild einer Persönlichkeitsstörung nicht erfüllen, aber dennoch einen großen Teil der Diagnosekriterien erfüllen (sogenannte Persönlichkeitsakzentuierung).

Im Rahmen der Paartherapie bedeutet das: rein statistisch gesehen, ist in jeder fünften Beziehung einer der Partner betroffen. Bei Paaren, bei denen Partnerschaftsprobleme bestehen, liegt der Prozentsatz sicherlich noch höher.

Erstaunlicherweise ist in der Sexualtherapie und in der Paartherapie die Häufigkeit des Krankheitsbilds Persönlichkeitsstörung oft unbeachtet geblieben.

In fast allen Büchern zum Thema Sexualtherapie gehen die Autoren davon aus, dass es sich bei ihren Klienten um insgesamt psychisch gesunde Menschen handelt, die nur an Funktionsstörungen auf sexuellem Gebiet leiden. Nach meiner eigenen Erfahrung ist aber genau das Gegenteil der Fall: Probleme auf sexuellem Gebiet sind meist nur ein Symptom, hinter dem noch weitere und tiefgreifendere psychische Störungen stehen (übrigens noch häufiger als Persönlichkeitsstörungen sind depressive Erkrankungen als Ursache für sexuelle Probleme).

Natürlich heißt das nicht, dass in jeder Paarbeziehung, in der es Probleme gibt, einer oder beide Partner automatisch eine psychische Störung haben müssen.

Es bedeutet aber, dass in jeder Therapie mit dem Vorhandensein solcher Störungen zu rechnen ist. Die praktische Konsequenz daraus: Häufig haben Probleme in der Partnerschaft sehr viel weniger mit der Partnerschaft selbst zu tun, als das auf den ersten Blick scheinen mag.

Persönlichkeitsstörungen-
was bedeutet das?

Das Diagnosemanuals DSM-5 der Vereinigung amerikanischer Psychiater definiert die Persönlichkeitsstörungen durch folgende Kriterien:

  • Deutliche Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit des Selbst (Identität oder Selbststeuerung) und der zwischenmenschlichen Kommunikation (Einfühlungsvermögen, Nähe).
  • Auftreten von krankhaften Persönlichkeitszügen in einem oder mehreren Bereichen.
  • Die Beeinträchtigungen sind ein dauerhaftes Muster, über lange Zeit hin stabil, und treten ähnlich in unterschiedlichen Situationen auf.,
  • Die Beeinträchtigungen können nicht allein durch den Entwicklungsstand des Betroffenen oder durch sein soziokulturelles Umfeld erklärt werden.
  • Die Beeinträchtigungen können nicht durch die Einnahme von Drogen, Medikamenten oder sonstige medizinische Schädigungen (z.B. Hirnverletzung) erklärt werden.
  • Die Beeinträchtigungen können nicht durch den Entwicklungsstand des Betroffenen oder durch sein soziokulturelles Umfeld erklärt werden.

Persönlichkeitsstörungen-
Konsequenzen in der Paartherapie

Nach den neuesten Erkenntnissen der Psychologie werden Persönlichkeitsstörungen nicht -wie noch bis zur Jahrtausendwende- als tief greifende Störungen der Gesamtpersönlichkeit verstanden, sondern als Störungen der Interaktion und der Beziehungsgestaltung. Bei Paaren, in denen ein Partner an einer „Persönlichkeitsstörung“ leidet, sind die Beziehungsprobleme sozusagen vorprogrammiert.
Als therapeutische Konsequenz ergibt sich daraus:

• Bei Paartherapien ist eine sorgfältige Diagnose erforderlich, um festzustellen, ob die gemeinsamen Probleme durch das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung bei einem der Partner (oder auch bei beiden) mitbedingt sein kann.

• Bei Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung ist der Fokus der Therapie nicht nur auf die jeweils konkret vorliegenden Probleme zu setzen, sondern darauf, dass beide Partner den Wirkmechanismus der gestörten Beziehungsgestaltung, die in der Persönlichkeitsstörung liegt, zu verstehen beginnen und Umgangsstrategien erlernen, damit umzugehen.

Eine Therapie kann den Leidensdruck, der durch eine Persönlichkeitsstörung innerhalb einer Partnerschaft verursacht wird, erheblich reduzieren. Dabei geht es vor allem auch um die Verbesserung der Lage des Partners, der selbst keine Persönlichkeitsstörung hat, indem er lernt,
1. nicht jede Reaktion des anderen auf sich zu beziehen,
2. mit gestörten Verhaltensmustern so umzugehen, das sie ihn selbst nicht belasten und
3. dafür zu sorgen, selbst innerhalb der Partnerschaft nicht mit den eigenen Bedürfnissen zu kurz zu kommen.

Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung, wenn sie denn bei einem der Partner vorliegt, kann im Rahmen einer Partnerschaft eine große Entlastung bedeuten: etwa dann, wenn durch eine solche Erkenntnis andauernde wechselseitige Schuldzuschreibungen der Partner wegfallen und die Erklärung der Schwierigkeiten im Krankheitsbild selbst gesehen werden kann. Außerdem können Umgangstrategien mit dem Krankheitsbild Persönlichkeitsstörung nur dann gefunden werden, wenn es zuvor diagnostiziert wurde.

Persönlichkeitsstörungen-
Warnung vor Laiendiagnosen

Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung kann nur durch einen Psychiater oder einen erfahrenen Psychotherapeuten festgestellt werden. Laien und insbesondere Partner, Familienmitglieder und enge Freunde sind grundsätzlich nicht die Richtigen, um eine solche Diagnose abzugeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen, die selbst im Beziehungsgeflecht beteiligt sind, Fehldiagnosen abgeben, ist sehr hoch.

Außerdem sind Laien nicht dazu ausgebildet, mit den Folgen möglicher Diagnosen umzugehen und die entsprechenden Hilfsangebote zu geben. Im Extremfall kann eine mitgeteilte Diagnose Menschen in akute Suizidgefahr bringen.

Daher wird ein erfahrender Therapeut sich hüten, eigene Verdachtsdiagnosen auszusprechen, bevor er nicht Konzepte gefunden hat, wie der Patient mit den möglichen Folgen der mitgeteilten Diagnose umgehen kann.

Wenn ich in diesem Blog Beispielfälle für Persönlichkeitsstörungen im Rahmen sexualtherapeutischer Behandlung vorstelle, bitte ich Sie als Leser, diese Überlegungen keineswegs als Vorlage für eigene Diagnosestellungen zu übernehmen. Diese Ausführungen haben allein den Zweck, darauf aufmerksam zu machen, dass hinter bestimmten Schwierigkeiten in der Paarbeziehung Persönlichkeitsstörungen stehen können.

Ich habe dazu beispielhaft drei Formen der Persönlichkeitsstörung ausgewählt, die besonders häufig bei der Sexualtherapie eine Rolle spielen: die abhängige, die narzisstische und die paranoide Persönlichkeitsstörung.

Wenn in einer Beziehung einer der Partner den Verdacht hat, er selbst oder der andere könnte an einer Persönlichkeitsstörung leiden, dann ist das ein dringender Anlass, den Arzt oder Psychotherapeuten aufzusuchen. Das gilt genauso, wie wenn Sie vermuten würden Ihr Partner hätte eine schwere Lungenentzündung oder eine andere schwere körperliche Erkrankung: Dann würden Sie es ja auch nicht mit einer Laiendiagnose bewenden lassen, sondern möglichst schnell die fachlich kompetente Hilfe eines Arztes einholen.

Wenn Sie dazu weitere Fragen haben, freue ich mich über Ihre Nachricht.

Mit freundlichen Grüßen
© M.Petery.
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

PS: Zum Thema narzisstische Persönlichkeitsstörung finden Sie ausführliche Informationen und einen Gastbeitrag von mir unter himmelundhoelleblog.

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Probleme in der Partnerschaft

Überall Feinde- paranoide Persönlichkeitsstörung?

Paranoide Persönlichkeitsstörung? Apokalyptische Reiter. Gemälde von Wiktor Wasnezow 1887

 

 

Paranoide Persönlichkeitsstörung- ständig Verdacht und Misstrauen

Ein Erfahrungsbericht

 

 

Das Zusammenleben mit meinem Mann war schon immer schwierig. Immer musste er Recht behalten, in letzter Instanz, auch den Kindern gegenüber. Er kann sehr schnell irrsinnig wütend werden. Am schlimmsten ist, dass er mich selbst immer wieder der Untreue verdächtigt, obwohl das völlig absurd ist.

 

 

In der Öffentlichkeit sind die Zornausbrüche meines Mannes besonders in dem Heimatverein gefürchtet, wo er der Vorsitzende ist. Da rastet er regelmäßig aus, wenn jemand etwas sagt, was nicht genau seiner Meinung entspricht. Er glaubt dann sofort, das ginge darum, ihn ganz persönlich zu kränken. Besonders schlimm ist es, wenn neue Leute dem Verein beitreten wollen: dann denkt er sofort, das gehe nur denen darum, ihm seinen Vereinsvorsitz streitig zu machen. Er riecht dann regelrecht überall die Verschwörung.

 

 

Seit einem halben Jahr hat er nun im Beruf eine neue Abteilung bekommen- seither ist er kaum noch auszuhalten. Er redet auch zuhause nur noch davon, dass er seine Mitarbeiter verdächtigt, bewusst Unterlagen zu fälschen, um ihm zu schaden. Die Leute würden ihn hintergehen und blöd behandeln, nur weil er sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet habe. Und dies Problem kenne er schon seit seiner Schulzeit: da waren es die Lehrer und Mitschüler gewesen, die ihn ständig hinter seinem Rücken gehänselt hätten.

 

 

Als ich dann versucht habe, ihn davon zu überzeugen, dass er auf der Arbeit bestimmt nicht gemobbt wird, sondern eher von seinen Mitarbeitern gefürchtet, hat er mir dann vorgeworfen, dass ich mit diesen Leuten wahrscheinlich unter einer Decke stünde. Und er ging noch weiter mit seinen Vorwürfen: Er habe schon lange den Verdacht, dass ich ihn mit seinem Stellvertreter betrügen würde. Dabei ist das vollkommener Unsinn!

 

 

Ich habe ihm zwar deutlich zu verstehen gegeben, dass das alles absurd ist, aber ich merke, dass er seither mir heimlich hinterher spioniert und Beweise gegen mich sucht. So habe ich ihn neulich dabei überrascht, wie er die Anrufprotokolle auf meinem Handy kontrolliert hat.

 

 

Ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll.

 

 

Frauke N. (Name geändert)

 

 

Diagnostische Anhaltspunkte

 

 

Hallo Frauke,

 

 

aus dem, was Sie schreiben, lässt sich mit Sicherheit keine endgültige Diagnose über Ihren Mann stellen. Dazu wäre eine längere Untersuchung durch einen Facharzt für Psychiatrie nötig- wobei natürlich sehr fraglich ist, ob Ihr Mann jemals einer solchen Untersuchung zustimmen würde.

 

 

Allerdings ist sein Verhalten, so wie Sie das schildern, durchaus in psychologischer Hinsicht auffällig. Und es ist nachvollziehbar, dass Sie unter diesem Verhalten leiden.

 

 

Mögliche Hinweise auf eine paranoide Persönlichkeitsstörung 

 

 

Offenbar handelt es sich bei seinem Problem um ein Verhaltensmuster, das ihn schon seit seiner Schulzeit begleitet. Ein solches über die ganze Lebenszeit gleich bleibendes Störungsbild lässt aus psychologischer Sicht das Vorliegen einer sogenannten Persönlichkeitsstörung vermuten. Das permanente Misstrauen und seine Streitsucht könnten Indizien für eine paranoide Persönlichkeitsstörung sein.

 

 

Nach dem Krankheitskatalog der Weltgesundheitsorganisation ICD-10 (F60.0 und Anhang 1) müssen für die Diagnose paranoide Persönlichkeitsstörung neben den allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung mindestens vier der folgenden Zusatzkriterien erfüllt sein:

 

 

  1. Große Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung;
  2. Unfähigkeit, subjektiv erlebte Beleidigungen oder Missachtungen zu vergeben
  3. Generelles Misstrauen, auch bei freundlicher oder neutraler Haltung anderer
  4. Streitsucht und starres Beharren auf eigenen Rechten
  5. Häufig unberechtigtes Misstrauen gegenüber der sexuellen Treue des Partners
  6. ständige Selbstbezogenheit und Überheblichkeit;
  7. häufige Verschwörungstheorien über Menschen der Umgebung, die einem schaden wollen

 

 

Im Fall Ihres Mannes ergeben sich hier einige deutliche Übereinstimmungen mit den Kriterien:

 

 

  • Generelles Misstrauen: Neue Vereinsmitglieder erscheinen sofort als Leute, die ihm den Vereinsvorsitz streitig machen wollen
  • Unberechtigte Verdächtigung des Partners auf sexuelle Untreue
  • Ständige Selbstbezogenheit in seinen Gesprächsthemen zuhause
  • Verschwörungstheorie gegenüber Kollegen am Arbeitsplatz

 

 

Mögliche Ursachen für eine paranoide Persönlichkeitsstörung 

 

 

 

Die Ursache für die Ausbildung einer paranoiden Persönlichkeit liegt nach Ansicht der meisten Experten in massiven Grenzverletzungen, die ein Kind durch engste Bezugspersonen erleiden musste, von ständiger Bevormundung bis hin zu sexuellen Misshandlungen. Das Kind lernte so, grundsätzlich jedem und allen zu misstrauen. Die einzige Person, der es auf dieser Welt trauen kann, ist nur man selbst.

 

 

Der Schutz des eigenen Territoriums ist für einen solchen Menschen absolut lebenswichtig, auch die strengste Sicherung der eigenen Grenzen gegenüber möglichen Übergriffen. Es ist daher absolut wichtig, überall immer selbst die völlige Kontrolle zu haben. Ständige Wachsamkeit gegen mögliche Übergriffe und ständige Kampfbereitschaft sind der einzig mögliche Selbstschutz.

 

 

Dazu gehört auch, dass bereits bei sehr geringen vermeintlichen Grenzverletzungen durch andere sofort massiv eingeschritten wird, etwa durch einen Zornausbruch. Dass andere Menschen deswegen von einem abrücken oder einen als gefährlich und jähzornig empfinden, sieht ein Mensch mit paranoider Persönlichkeitsstörung eher als positiv an: durch solche Einschüchterung der anderen sinkt ja das Risiko, selber angegriffen zu werden.

 

 

Auch wenn andere Menschen potentiell ständig als Bedrohung empfunden werden, ist ein Mensch mit paranoider Persönlichkeitsstörung selten ein Einzelgänger: denn er benötigt möglichst viele Bundesgenossen und Vasallen, die ihn bei seinem Kampf unterstützen. Um selber keine Gefahr zu sein, müssen diese Menschen sich ihm aber komplett unterordnen, seien es nun die anderen Mitglieder im Verein, die Arbeitskollegen oder auch der/die Ehepartner/in und die eigenen Kinder.

 

 

Solange diese Unterordnung stimmt, kann ein Mensch mit paranoider Persönlichkeitsstörung durchaus fürsorglich sein und sich mit großem eigenen Elan für seine „Vasallen“ einsetzen: sie sind dann ja sozusagen Teil seines eigenen Ich.

 

 

Umgangsstrategien mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung

 

 

 

Vielleicht ist es für Sie eine Erleichterung zu wissen, dass die Probleme Ihres Mannes mit größter Wahrscheinlichkeit nicht in den tatsächlichen aktuellen Lebensumständen begründet sind und auch nicht an Ihrer Person als Ehefrau liegen, sondern in der psychischen Gesamtdisposition ihres Mannes.

 

 

Von daher bieten sich zwei Hauptumgangsstrategien an:
deeskalieren und ausweichen.

 

 

Es ist zum Beispiel für Sie wenig sinnvoll, wenn Sie seinen Verschwörungstheorien über die Kollegen widersprechen: Auf diese Weise ziehen Sie nur ebenfalls den Argwohn Ihres Mannes auf sich. Und Sie werden jetzt selber verdächtigt, ihn hintergangen zu haben.

 

 

Auch seinen Verdacht auf sexuelle Untreue und seine Handy-Nachforschungen sollten Sie am besten schlicht und einfach ignorieren. Ein Auflehnen dagegen könnte Ihr Mann wohl nur als Eingeständnis Ihrer Schuld oder als Aufkündigung Ihrer Solidarität verstehen.

 

 

Wenn Sie ein Interesse daran hat, die Beziehung mit Ihrem Mann zu erhalten, ist es am besten, Sie weichen allen offenen Konfrontationen mit ihm so gut wie möglich aus. In Bezug auf die Streitigkeiten Ihres Mannes im Verein und am Arbeitsplatz können Sie versuchen, soweit das überhaupt möglich ist, zu deeskalieren, indem Sie beispielsweise die Vorteile herausstellen, die ein neues Mitglied dem Verein und damit auch Ihrem Mann bringt.

 

 

Das kann aber nur funktionieren, solange Sie bei ihrem Mann bereits vorhandene positive Gedanken bestärken: also ihm zum Beispiel deutlich machen, dass neue Mitglieder im Verein seine Position und den Einfluss des Vereins in der Öffentlichkeit stärken und nicht schwächen werden.

 

 

Jede offene Kritik an Ihrem Mann oder jeder Beschwichtigungsversuch würde bestehende Probleme nicht deeskalieren, sondern würde nur bedeuten, Öl ins Feuer zu gießen.

 

 

Wenn Sie dazu weitere Fragen haben, freue ich mich über Ihre Nachricht.

 

 

Mit freundlichen Grüßen
© M.Petery.
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

 

 

PS:
Weitere Infos im Beitrag: Persönlichkeitsstörungen als Problem in der Partnerschaft und im Artikel Paranoide Persönlichkeitsstörung im Blog Arztphobie.com.

 

 

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BDSM und Fetisch Sexuelle Probleme Sexuelle Wünsche

Mein Mann zieht gerne Frauenkleider an- Wie krank ist das?

Fetisch Frauenkleider Alexej von Jawlensky: Alexander Sacharoff

Frauenkleider-
mein Mann und sein neuer Fetisch

Frauenkleider
Mein Mann trägt gerne Frauenkleider, häufiger am Abend, am Wochenende auch mal tagsüber.

Vor einem Vierteljahr habe ich ihn das erste Mal mit Rock und Stöckelschuhen überrascht, als ich nach Hause kam. In meiner ersten Überraschung habe ich so getan, als wäre das die natürlichste Sache der Welt. Ich habe ihm dann auch erlaubt, sich seine Sachen anzuziehen, wenn die Kinder nicht zuhause sind.

Richtig glücklich bin ich über seinen Fetisch allerdings nicht. Ständig habe ich Angst, dass er sein Zeug irgendwo herumliegen läßt und es dann entweder die Kinder finden oder meine Mutter, wenn sie überraschend zu Besuch kommt.

Ausserdem gefällt mir mein Mann so nicht. Ich finde es weder sexy noch erotisch, ihn in irgendwelchen Dessous zu sehen, sondern einfach nur lächerlich.

Mein Mann gefällt mir nun einmal am besten so, wie ich ihn kennengelernt habe- in Männerbekleidung. Wenn er sich als Frau verkleidet, vergeht mir die Lust auf Sex.

Meistens versuche ich, gute Miene zu machen und lasse ihn einfach so rumlaufen. Denn ich sehe, dass ihm sein neues Outfit offenbar sehr gut gefällt. Er kauft sich ja immer noch weitere Sachen hinzu.

Aber, ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wieviele solche Extravaganzen eine Frau in ihrer Ehe einfach akzeptieren muß.

Kerstin D. (Name geändert)

Frauenkleider bei meinem Mann-
nicht sexy, sondern lächerlich

Hallo Kerstin,

vor drei Monaten haben Sie Ihren Mann das erste Mal dabei überrascht, wie er zuhause Frauenkleider getragen hat. Jetzt macht er es häufiger am Abend und am Wochenende.

Sie selbst haben es ihm zwar erlaubt, Sie fühlen sich aber nicht wohl mit seinem Fetisch. Zum einen, weil sie Angst haben, Ihre Kinder oder Ihre Mutter könnten seine Frauensachen finden, zum anderen, weil Sie ihn in seinem Outfit nicht sexy, sondern lächerlich finden.

Unsicherheit im Umgang mit dem Fetisch

Offensichtlich sind Sie sich unsicher, wie Sie mit dem Fetisch Frauenkleidung bei Ihrem Mann umgehen sollen. Einerseits „erlauben“ Sie es ihm, in Ihrer Gegenwart so herumzulaufen, weil es ihm so gefällt. Andererseits ist es gleichzeitig Ihr Wunsch, dass er -zumindest in ihrer Gegenwart- auf Frauenkleider verzichtet.

Nach Ihrer Schilderung haben Sie beide Schwierigkeiten, klar und offen über das Thema Fetisch und über Ihre wechselseitigen Bedürfnisse zu kommunizieren.

Hilfsmöglichkeiten durch Sexualtherapie

Es könnte sich daher für Sie beide lohnen, hier miteinander wieder ins Gespräch zu kommen. Da es sich beim Thema Fetisch um ein eher heikles Gebiet der Sexualität mit einer großen Verletzungsgefahr handelt, könnte es sinnvoll sein, dass Sie beide sich einen Therapeuten als Moderator gönnen, der Ihnen dabei hilft.

Folgende Fragen könnten bei einem solchen Gespräch wichtig sein:

Fragen an Ihren Mann

  • Können Sie sich vorstellen, was Ihre Frau empfindet, wenn Sie in ihrer Gegenwart Frauenkleider tragen?
  • Was empfinden Sie selbst beim Tragen der Frauenkleider in ihrer Gegenwart? Sexuelle Erregung? Scham? Freude am Gefühl, wie eine Frau auszusehen?
  • Fühlen Sie sich selbst in Frauenkleidern eher schön oder eher gedemütigt?
  • Spielen Sie mit der Möglichkeit, in Ihren Frauenkleidern entdeckt zu werden?
  • Haben Sie sich möglicherweise ein Stück weit darauf ankommen lassen, dass Ihre Frau Sie in Ihrem Fetisch überrascht hat? Lassen Sie es immer noch darauf ankommen, dass auch Ihre Kinder und Ihre Schwiegermutter Ihren Fetisch herausfinden?
  • Wie würden Sie darauf reagieren, wenn Ihre Frau Ihnen das Tragen von Frauenkleidern in ihrer Gegenwart verbieten würde?

Fragen an Sie selbst

  • Können Sie sich vorstellen, was Ihr Mann empfindet, wenn er in Ihrer Gegenwart Frauenkleider trägt?
  • Wie wäre es, wenn Sie Ihre Gedanken über das Tragen von Frauenkleidern offen gegenüber Ihrem Mann aussprechen?
  • Sie haben Ihrem Mann erlaubt, in Ihrer Gegenwart Frauenkleider zu tragen. Was hält Sie davon ab, es ihm wieder zu verbieten?
  • Empfinden Sie bei Ihrer Vorstellung, Ihre Kinder oder Ihre Mutter würden den Fetisch Ihres Mannes herausfinden, möglicherweise ein Stück Genugtuung?
  • Hat sich an Ihren Gefühlen für Ihren Mann dadurch etwas geändert, dass Sie seinen Fetisch kennen?

Themenfelder

Wie die obigen Fragen zeigen, gibt es eine Reihe verschiedener Themen, die in Ihrer Fallgeschichte eine Rolle spielen. Die ersten drei Themenfelder (Fetischismus, Masochismus, Exhibitionismus) könnten eine Klärung bringen, inwieweit das Tun Ihres Mannes durch sexuelle Präferenzen geprägt ist. Im vierten Themenfeld Transvestitismus ginge es darum, inwieweit bei Ihrem Mann weniger ein sexuelles Interesse im Vordergrund steht als vielmehr der Wunsch, sich selbst zeitweise als Frau erleben zu können.

Fetischismus

Dass Männer gern Frauenkleider tragen, ist seit Shakespeare´s Zeiten nichts Ungewöhnliches. Viele Männer empfinden es als erregend, beim Sex weibliche Kleidungsstücke zu tragen.
Zum einen deswegen, weil für sie diese Kleidungsstücke als sexueller Stimulus dienen (klassischer Fetisch), zum anderen, weil sie das mit der Kleidung verbundene Rollenspiel erregend finden: Für heterosexuelle Männer ist das Lustobjekt schlechthin die Frau- in der Verkleidung können sie selbst spielen, ein solches Lustobjekt zu sein.

Masochismus

Das Tragen von Frauenkleidern kann -neben dieser Funktion als Fetisch in klassischem Sinn- auch ein Element der Selbstdemütigung enthalten, insbesondere dann, wenn damit gespielt wird, in diesem Fetisch von anderen entdeckt und der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden. In diesem Fall käme zum Fetischismus auch ein gutes Stück Masochismus hinzu: Lust, die daraus gewonnen wird, das andere einem -in diesem Fall psychische- Schmerzen zufügen.

Exhibitionismus

Nach dem Krankheitenkatalog der Weltgesundheitsorganisation ICD-10 F 65.2 gehört zur Definition von Exhibitionismus immer die Entblößung der eigenen Genitalien.
Wenn man Exhibitionismus allerdings in etwas weiterem Sinn als die ungewollte Konfrontation anderer mit sexuellen Handlungen definiert, ist es durchaus ein Akt des Exhibitionismus, wenn Ihr Mann mit dem Risiko spielt, auch von Ihren Kindern und Ihrer Mutter entdeckt zu werden.
Dieser Aspekt ist in Ihrer Geschichte am problematischsten, da er unbeteiligte Dritte, in diesem Fall sogar Minderjährige, in ihrer sexuellen Selbstbestimmung psychisch schädigen kann.

Sexuelle Handlungen müssen immer im gegenseitigen Einverständnis aller Beteiligten stattfinden– ansonsten wird eine Grenze überschritten, die in der Medizin als Störung der Sexualpräferenz bezeichnet wird.

Transvestitismus

Auffällig ist, dass Ihr Mann Frauenkleidung offenbar nicht (nur?) in Verbindung mit sexueller Erregung trägt. Beim rein fetischistischen Transvestismus würde der Wunsch, Frauenkleidung zu tragen, mit nachlassender sexueller Erregung ebenfalls schwinden. Es ist die Frage, ob es sich bei Ihrem Mann möglicherweise um transsexuellen Transvestitismus handelt, d.h., ob sich ihr Mann durch das Tragen von Frauenkleidung zeitweise selbst als Frau erleben will und warum.

Therapeutische Konsequenzen

Die Bearbeitung dieser vier Themenbereiche in der Therapie könnte Ihnen beiden dabei helfen zu verstehen, was es genau bedeutet, wenn Ihr Mann Frauenkleider trägt. Es kann sein, dass es eine rein fetischistische Handlung ist, es kann aber auch sein, dass masochistische und exhibitionistische Tendenzen ebenfalls eine Rolle spielen.

Alternativ dazu kann es sich auch um eine Störung der Geschlechtsidentität Ihres Mannes handeln, geprägt von dem Wunsch, zumindest zeitweise sich selbst als Frau erleben zu können.

Wenn soweit die Motivation Ihres Mannes geklärt ist, wird für Sie die Frage im Raum stehen, wie Sie mit den sexuellen Präferenzen Ihres Mannes umgehen wollen. Hier sind sehr verschiedene Lösungen denkbar: Von einer strikten Absage, dass er in Ihrer Gegenwart Frauenkleidung trägt, bis hin zu spielerischer Integration seines Fetischismus (und ggf. auch seines Masochismus) in Ihr gemeinsames sexuelles Zusammenspiel.

Für Ihren Mann wird sich die Frage stellen, inwieweit er bereit ist, sich in seinem sexuellen Verhalten auch nach Ihren Wünschen zu richten: also in Ihrer Gegenwart keine Frauenkleider zu tragen oder nur dann, wenn Sie es ihm ausdrücklich gestatten.

Wenn Sie möchten, können Sie sich mit weiteren Fragen gern an mich wenden.
© M.Petery.
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

PS: Weitere Infos im Artikel BDSM Beratung und im Artikel Männer und Frauenkleider mit einem Erfahrungsbericht aus Sicht einer selbst betroffenen Partnerin.

. Einen weiteren Artikel zum Thema „Männer in Frauenkleidern- Fetischismus in der Kunst“ finden Sie hier.

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