BDSM Beratung und Hilfe
rund um die härtere Spielart des Sex
Die Zeiten, in denen BDSM als krank oder problematisch angesehen wurde, sind zum Glück längst vorbei. In der modernen Sexualwissenschaft gelten die härteren Spielarten des Sex als genauso „normal“ und „gesund“ wie Kuschel- und Schmusesex. Natürlich unter den drei Voraussetzungen, dass
- beide Partner den Sex wollen,
- kein Partner sich selbst oder dem anderen psychische oder körperliche Schäden zufügt
- und keine anderen Menschen geschädigt oder brüskiert werden
Aber diese drei Regeln gelten für Kuschelsex ja ganz genauso. Aus sexualtherapeutischer Sicht gibt es aber auch Punkte, die beim Thema BDSM Beratung besondere Beachtung verdienen.
BDSM Beratung- die verschiedenen Bereiche
Das Kürzel BDSM steht für: „Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“. Damit sind also die folgenden sexuellen Techniken gemeint:
- Bondage: Fesselung des Sexualpartners zum Zweck der Luststeigerung (mit Handschellen, Seilen, auch als Hängebondage);
- Discipline: Die Züchtigung des Partners, etwa durch Versohlen des Hinterteils mit der Hand (spanking), oder Schlagen mit der Reitgerte oder Peitsche
- Dominance & Submission: Rollenspiele, bei denen ein Partner die überlegene Rolle spielt (top) und der andere dessen Opfer (sub)- z.B. Rollenspiel Aufseher und Gefangener
- Sadism & Masochism: Rollenspiele, bei denen ein Partner dem anderen körperliche Schmerzen zum Zweck der Luststeigerung zufügt.
BDSM Beratung- die häufigsten Probleme
1. Unausgesprochene Wünsche
Viele Menschen träumen von BDSM- und haben Schwierigkeiten, sich selbst oder ihrem Partner diesen Wunsch einzugestehen.
Der oder die Betroffene nehmen sich dadurch selbst die Chance, eine Form des sexuellen Spiels auszuprobieren, welche möglicherweise das eigene Leben und die eigene Sexualität deutlich aufregender und erfüllender machen könnte.
Das ist besonders schade, wenn der eigene Partner eigentlich ganz ähnliche Wünsche hat, sie sich aber ebenfalls nicht auszusprechen traut.
2. Unverständnis des Partners
Oft reagieren Partner im ersten Moment sehr abweisend auf den Wunsch, Elemente aus dem BDSM-Bereich ins eigene Sexualleben einzubauen. Wer sich vor seinem Partner outet, riskiert, als pervers oder zumindest irgendwie nicht ganz normal dazustehen. Hier können Verletzungen entstehen, die später kaum wieder zurücknehmbar sind.
Umgekehrt kann auch das eigene Outing mit BDSM-Wünschen den Partner überfordern, etwa dann, wenn ein Partner vom anderen sexuelle Spiele erwartet, die dieser nicht erfüllen kann oder möchte.
Besonders schwierig wird es, wenn emotionaler Druck auf den Partner aufgebaut wird, um eigene sexuelle Wünsche durchsetzen zu wollen.
3. Schuld- und Schamgefühle
Schuld- und Schamgefühle können für Betroffene eine erhebliche Belastung darstellen, zum Beispiel, wenn einen die Frage nicht mehr los läßt: Was habe ich da eigentlich getan oder mit mir machen lassen? Über solche Themen direkt mit dem Partner zu sprechen, ist besonders schwierig.
4. Probleme mit der eigenen Rolle
Für viele Menschen ist es nicht leicht, mit neuen Erfahrungen aus dem BDSM-Bereich umzugehen. Für viele ist das Sich-Einlassen auf BDSM zunächst nur etwas, das man als Geschenk oder Gefälligkeit dem Partner zugestanden hat.
Was aber, wenn ein Mensch, der sich selbst bisher privat und im Berufsleben als eher stark und dominant erlebt hat, nun entdeckt, beim Sex gern selber dominiert zu werden? Oder gar masochistische Freude über körperlichen Schmerz verspürt? Oder umgekehrt entdeckt, Freude daran zu haben, den Partner zu dominieren und körperliche Schmerzen zuzufügen?
5. Die eigenen Grenzen kennen
Viele Menschen haben beim BDSM die Angst, sich selbst zu verlieren. Sie empfinden Unsicherheit bei der Frage, „wo das Ganze eigentlich enden soll“.
BDSM ist immer ein Spiel mit den Grenzen- den eigenen und denen des Partners. Es kann etwas Wunderbares sein, festzustellen, wieviel mehr im Sex möglich ist, als man sich es je hätte träumen lassen. Es kann aber auch etwas Beängstigendes sein, zu bemerken, das bisher gültige Grenzen und Regeln jetzt nicht mehr gültig sind.
Oft besteht die Gefahr, dass Menschen sich beim BDSM selbst überschätzen und weiter gehen, als es Ihnen selber gut tut. Ein gelungenes Spiel mit dem BDSM setzt also vor allem voraus, die jeweils aktuellen, eigenen Grenzen zu kennen (und die des Partners!)- und sich gemeinsam mit dem Partner über diese Grenzen auszutauschen.
5. Spiel und Wirklichkeit
BDSM ist ein sexuelles Spiel auf Gegenseitigkeit- und hat nichts mit tatsächlicher Gewalt, Unterwerfung oder Versklavung zu tun.
Es ist wichtig, dass beide Spielpartner diese Unterscheidung zwischen Spiel und Wirklichkeit kennen und beachten.
Problematisch wird es, wenn es hier zu Unklarheiten kommt, zum Beispiel,
- wenn die BDSM-Rollen sich verselbständigen,
- wenn die Partner nicht vor dem Spiel darüber sprechen, was sich welcher Partner wünscht und was nicht
- wenn der „Sklave“ oder die „Sklavin“ sich auch im wirklichen Leben der „Herrin“ oder dem „Herrn“ unterwerfen will und sämtliche Eigenverantwortung abgeben möchte
- wenn der „Herr“ oder die „Herrin“ glaubt, auch über das Spiel hinaus den Partner dominieren zu dürfen,
- wenn unklar ist, wann die Spielsituation anfängt und wann sie aufhört und deswegen in der Beziehung überhaupt kein Raum für den „Alltagsstatus“ mehr bleibt
6. Missbrauchserfahrungen und BDSM
In unserer Gesellschaft hat ein hoher Prozentsatz von Männern und Frauen in der Kindheit sexuelle Missbrauchserfahrungen gemacht.
BDSM kann für Betroffene durchaus ein Weg sein, eigene, leicht unangenehme Erfahrungen und Verletzungen zur sexuellen Stimulation einzusetzen (ein Klassiker sind z.B. Spiele, die an Erinnerungen aus der Schulzeit anknüpfen, also z.B. Lehrer/in und Schüler/in etc.
Kritisch wird es allerdings, wenn es um die Re-Inszenierung von tatsächlichen Traumata geht (z.B. Missbrauch, Vergewaltigung).
Eine sogenannte Re-Traumatisierung, die eine/n Betroffene/n unfreiwillig plötzlich in die Gefühlswirklichkeit des originalen Traumas zurückwirft, ist auch bei scheinbar harmlosen BSDM-Szenarien jederzeit möglich- gerade auch deswegen, weil viele Betroffene von ihrer psychischen Verletzbarkeit selbst bewusst gar nichts wissen.
Vorsicht und Behutsamkeit ist also unbedingt erforderlich im Umgang mit BDSM! Und im Falle einer aufgetretenen Re-Traumatisierung ist unbedingt psychotherapeutische Hilfe erforderlich.
7. Umgang mit dem Fetisch
Den Spaß am eigenen Fetisch zu entdecken, kann eine ausgesprochen beglückende Entdeckung sein. Viele Männer, die deswegen übrigens nicht automatisch homosexuell sind oder Transvestiten, tragen beim Sex gern Frauenkleider.
Schwierig wird es, wenn der eigene Fetisch den jeweiligen Partner überfordert. Wenn also z.B. die Frau sich ihren Mann beim Sex explizit nicht in Frauenkleidern wünscht.
8. Partnersuche und BDSM
Idealerweise haben Partner auf sexuellem Bereich ähnliche Fantasien und Wünsche, durch die sie ihre Beziehung gegenseitig bereichern.
Von daher ist es gut verständlich, wenn sich ein Mensch, der eine Affinität zu BDSM hat, auch einen Partner wünscht, der diese Leidenschaft mit ihm teilt- sei es in einer langfristigen Beziehung, sei es, als ein kurzfristiges und aufregendes Date.
Im BDSM-Bereich (genauso wie auch bei der ganz „normalen“ Partnersuche) besteht das Risiko, Menschen zu begegnen, welche die eigene Veranlagung ausnutzen oder missbrauchen. Es ist daher, insbesonder bei neuen Bekanntschaften über das Internet, ein gesundes Mass an Vorsicht geboten.
BDSM Beratung- Wann therapeutische Hilfe sinnvoll ist
Wenn Sie bei diesen Punkten eigene Probleme wiedererkennen und feststellen, allein nicht mehr recht weiter zu wissen, ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich im Rahmen einer Sexualtherapie Unterstützung zu holen.
Gern stehe ich Ihnen mit meiner therapeutischen Erfahrung zur Verfügung für ein vertrauliches Gespräch ohne Vorurteile und ohne Wertung. Gemeinsam können wir bei einer Beratung oder Therapie daran arbeiten, unbewusste Zusammenhänge zu verstehen und neue Handlungsperspektiven zu gewinnen.
© M.Petery.
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery
4 Antworten auf „BDSM Beratung, Psychotherapie und Sexualtherapie“
Hallo,
Zum obigen Beitrag BDSM Beratung würde mich sehr interessieren, an welchen Maßstäben sich hier ein Berater hält. Praktiziert er selber BDSM, hat man sich belesen oder liegt für dieses umfangreiche Thema BDSM eine Statistik gar vor?
Alleine der Punkt Partnersuche. In diesem Text könnte man jede Gruppe einsetzen zb Schwule, Hetros mit irgend einem besonderen Schwerpunkt. .. Dazu ein Denkanstoß meinerseits, dass der Partner sich nicht immer aufgerufen fühlen sollte sich dem geliebten Partner gegenüber zu outen. Zb , wenn es ein oder zwei eher außerge-wöhnlichen BDSM Praktiken betrifft. Am Ende hat das Schweigen nichts mit Vertrau-ensbruch, fremd gehen (was hier eher nicht rein passt) oder irgend einer Bedeutung in dieser Richtung zu tun. Im Gegenteil, wenn einem die Beziehung wichtig ist, ist es besser „nicht“ mit seinem Partner darüber zu reden, um es in der Beziehung ausleben zu können. Dann könnte schnell aus „öffnen und vertrauen “ eine Distanz oder langsame Trennung entstehen. Auch der Satz, dass ein BDSM ler auf der suche des Gleichen ist. Was ist denn ein BDSMler oder Fetischist? Das Gleiche wie 24 h am Tag ein Hetro zu sein?
Daher hier meine Frage, kann es wirklich ein BDSM BERATER geben oder eher ein Arzt mit wem man offen über dieses Thema endlich mal reden kann und gute Tipps eventuell erwartet. Denn, wo kann man BDSM detailliert diskutieren wie zb ein anstehender Grippevirus?
Ich möchte hier niemanden verurteilen oder ihm vorwerfen er hätte diesbezüglich ,was das Thema BDSM betrifft keine Ahnung. Sicher nicht. Nur BDSM ist mehr, verdammt tiefgründig, erstaunlich, faszinierend und oft genug beängstigend, wenn man verbissen an dieser Thematik heran geht. BDSM ist in meinem Augen kein Thema, eher eine kleine Welt für sich.
ICh bin sicher kein 24 h „BDSM ler“ , eigentlich ganz normal. Oder wie sehen Sie das?
Danke für Ihre Zeit , meinen Kommentar gelesen zu haben und eventuell darüber bißchen nachzudenken. Danke.
Hallo, Cy.-V. Sadel!
Danke für den ausführlichen Kommentar!
Auch ich bin der Meinung, dass es keine BDSM-Beratung benötigt, wenn alles rund läuft und kein Leidensdruck besteht. Wie gleich zu Anfang des Artikels gesagt: BDSM ist keine Krankheit, sondern eine Spielart des Sex, die aufregend und spannend sein kann und sogar Freude bereitet.
Allerdings sind mir selbst in meiner Praxis die angesprochenen 7 Problembereiche relativ häufig begegnet und immer wieder zum Thema in der Therapie geworden. Ich halte es für wichtig, dass Menschen, die im Bereich BDSM Schwierigkeiten haben, einen Ort finden, an dem sie offen und ohne Vorurteile darüber reden können.
Und genau einen solchen Ort möchte ich mit meiner Sexualtherapie-Praxis anbieten, persönlich oder auch online oder per Telefon.
Ich persönlich wäre froh wenn, es mehr Beratungsangebote gäbe gerade für junge Menschen (es gibt ja auch lbtiq) Jugendzentren, da ein coming out (BDSM sollte als eigene Form der Sexualität gewertet werden wie homosexualität) zum Teil echt heftig sein kann.
Gerade wenn man zudem nichtbinär und demisexuell ist (ein Form der Bi/A-sexualität bei der die sexuelle Anziehung primär auf der emotionalen Bindung beruht) und wenn dazu noch ein paar heftige Traumata kommen…..UFFF… Ich persönlich habe deswegen auch ein bisschen Angst vor der meiner beginnenden Therapie weil es schnell heissen könnte ….
lehnen sie die Frauenrolle wegen diesem und jenem Trauma ab…
probieren sie sich in BDSM als Reinszenierung ihres Traumas aus ?
……Das sind ja auch Dinge die einen selber einen Knoten im Kopf bereiten……
Und ich glaube da wäre eine generell bessere Aufklärung innerhalb der Gesellschaft ziemlich wichtig um Menschen wie mir ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln…..
Ich merke ja jetzt schon das so ein coming out trotz Wertschätzung seitens des Freundeskreises, der Familie und meiner Romanze echt harter Tobak ist und ich kann mir vorstellen, dass es für Leute ohne dieses Umfeld noch härter werden kann…
Gerade wenn im Internet lauter gruseliger Dinge wie „BDSM ist die Folge eines Kindheitstraumas“ stehen (siehe ihr Artikel über den Ehemann der sich eine Domina wünscht)…..
WTF lesbisch wird man ja auch nicht durch beschissene Eltern……
Ich denke eher, dass Traumata es eher schwierig machen, zu sich selbst zu stehen, da man am Ende denkt, man hätte es selbst so gewollt……
Und ich glaube, dass Wertschätzung und Aufklärung da ganz wichtig sind…
Sub sein, kann feministisch sein, da man lernt auch Männern mit gespielter Autorität gegenüber klar zu kommunizieren, was gerade gut ist und was nicht
Man lernt zudem Achtsamkeit mit seinem Körper und seinem Geist….(wie fühle ich mich, was fühle ich, fühlt sich das innerlich noch gut an? wie fühle ich mich danach? )
Ich glaube, dass diese Dinge bei Menschen mit Trauma, deren sexualität eher der Norm entspricht, genauso wichtig sind und
es nicht darum gehen sollte Dinge weg zu therapieren.
Es geht ja nicht darum welche Art der sexualität gelebt wird, sondern auf welche weise sie gelebt wird.
So ich musste mir mal was von der Seele schreiben (hoch lebe die Anonymität des Internets)
Danke für den wichtigen Diskussionsbeitrag.
Auch ich finde es sehr wichtig, bei BDSM zu differenzieren: Ist das für mich persönlich eine lustvolle und schöne Form von Sexualität oder nicht? (Das gilt natürlich für jede andere Form der Sexualität auch.)
Es gilt ganz klar: Wo kein Leidensdruck besteht, weder für mich, noch für meinen Partner, ist jede Therapie völlig fehl am Platz.