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Wenn die Schwiegermutter alles besser weiß…
Eigentlich bin ich glüklich verheiratet und stolze Mutter einer inzwischen 3 Monate alten Tochter.
Mein einziges Problem sind meine Schwiegereltern. Mein Mann und ich wohnen in einer Einliegerwohnung bei Ihnen im Haus, und sind auch darüber eigentlich ganz froh, weil mein Mann noch nicht so viel verdient, dass wir uns locker eine eigene Wohnung leisten könnten.
Meine Schwiegermutter kümmert sich an und für sich sehr immer wieder sehr lieb um unser Baby, besonders, weil es ihr erstes Enkelkind ist. Allerdings ist sie sehr besitzergreifend.
Neulich hat sie mich sehr verletzt, als sie gesagt hat, ich bräuchte mir keine Illusionen zu machen, daß meine Kleine mich vermissen würde, wenn ich mal nicht da wäre. Dazu wäre sie einfach noch zu klein, und sie hätte auch bei der Oma alles, was sie braucht. Außerdem sei die Oma eben auch sehr viel erfahrener im Umgang mit Kindern- schließlich hääte sie schon drei großgezogen und ich wäre erst seit drei Monaten Mutter. Fast habe ich schon das Gefühl, als wollte sie mir mein Kind wegnehmen, um es vor mir zu schützen.
Mein Mann meint, ich solle das nicht persönlich nehmen und nimmt seine Mutter in Schutz. Ich solle einfach nicht so überempfindlich sein.
Ich fühle mich von ihm total allein gelassen und habe in unserer eigenen Wohnung nicht das Gefühl, zuhause zu sein, sondern nur auf permanentem Besuch bei den Schwiegereltern.
Steffi G. (Name geändert)
Für Ihre Schwiegermutter
hat die Welt sich verändert
Hallo Steffi,
mit der Geburt Ihrer Tochter hat sich für alle Menschen in Ihrer Umgebung viel verändert. Sie sind nun Mutter, ihr Mann Vater geworden. Sie beide sind nicht länger nur ein Paar, sondern gemeinsam mit Ihrer Tochter selbst eine eigene Familie geworden.
Auch für Ihre Schwiegermutter hat sich die Welt völlig verändert. Bis zur Geburt Ihres Kindes war es für Ihre Schwiegermutter noch möglich, Sie wie ein zusätzliches Kind oder als den Anhang Ihres Sohnes zu verstehen und Sie damit als Teil ihrer Großfamilie zu sehen, in der sie selbst unumstritten die Rolle der Mutter innehatte.
Jetzt ist aber sozusagen eine Familie in der Familie entstanden, zu der Ihre Schwiegermutter nicht dazugehört. Ihr Mann und Sie selbst sind jetzt nicht einfach wie bisher ihre Kinder, sondern selbst Eltern. Diese Veränderung fällt Ihrer Schwiegermutter offensichtlich nicht leicht: ihre eigene Rolle in der Familie ist nicht mehr die gleiche, sie gehört jetzt zur drittältesten Generation. Und sie muss auch ein Stück Macht abgeben über Ihren Sohn, der jetzt eben nicht mehr familiär an erster Stelle die Rolle ihres Kindes spielt, sondern die eines Vaters und Ehemanns.
Diese neuen Verhältnisse kann sie in der Realität nicht rückgängig machen. Aber es gibt in ihr, sicherlich unbewußt, den Versuch, die alte Stellung zu verteidigen: Deshalb scheint sie ihr Enkelkind als ihr eigenes zu betrachten und Sie als Mutter gar nicht wahrzunehmen.
Sie alle müssen sich jetzt an neue Rollen in der Familie gewöhnen
Die einzige tatsächliche Lösung für das Problem ist, Ihrer Schwiegermutter dabei zu helfen, in die neue Rolle als Oma hineinzuwachsen. Denn sie hat offenbar Schwierigkeiten, von der Mutter-Rolle zu Oma-Rolle zu wechseln.
Das liegt möglicherweise daran, dass sie selbst Vorstellungen über die Oma-Rolle hat, die ihr nicht gefallen. Vielleicht denkt sie, Omas wären alt, unattraktiv und schon halb aus dem Leben verabschiedet. Dabei kann Oma-Sein auch genau das Gegenteil sein: Freude darüber, dass das eigene Kind nun selbst ein Kind hat; Freude darüber, am Leben des Enkelkinds Anteil haben zu können, ohne selbst dafür die volle Verantwortung zu tragen; Freude über die größer gewordene Familie.
In diesem Zusammenhang stellt sich nun die Frage, wie sich eigentlich die anderen Familienmitglieder verhalten: Gibt es einen Schwiegervater? Was hält der davon, dass sich seine Frau jetzt so sehr auf das Enkelkind stürzt?
Und vor allem: Hat Ihr eigener Mann schon begriffen, dass er nun mit der Vaterrolle auch die Aufgabe hat, seine eigene kleine Familie vor Übergriffen von außen zu schützen und sogar auch vor den Übergriffen seiner eigenen Mutter?
Das sind alles bestimmt keine einfachen Fragen, aber sie stellen sich ganz automatisch, wenn mit der Geburt eines Kindes in einer Familie eine neue Generation hinzukommt.
Der erste Ansprechpartner ist Ihr Ehemann
Wenn Sie sich einfach nur an Ihrer Schwiegermutter reiben, werden Sie das Problem vermutlich nicht lösen können. Ihr Ehemann ist bei der Problemlösung Ihr wichtigster Partner. Ja klarer er seiner Mutter gegenüber deutlich machen kann, dass Sie die Mutter Ihres Kindes sind und dass für ein Kind Vater und Mutter die wichtigsten Personen im Leben sind und erst danach die Großeltern, desto besser.
Mögicherweise kann es Ihnen beiden gut tun, wenn Sie sich ein paar Stunden Beratung durch einen Paartherapeuten gönnen, der ihnen dabei hilft, Ihre eigene neue Position besser zu verstehen und leben zu können. Denn je selbstsicherer Sie beide gegenüber Ihrer Schwiegermutter auftreten und je genauer Sie beide wissen, welches Ihrer beide Grundsätze in der Kindererziehung sind, desto eher wird auch Ihre Schwiegermutter begreifen, wo die Grenzen ihrer eigenen neuen Rolle als Oma liegen.
Natürlich kann es Extremfälle geben, wo sich Schwiegermütter niemals an eine solche neue Rolle gewöhnen werden- da kann es dann hilfreich sein, auf räumliche Trennungzu setzen und nicht länger in unmittelbarer Nachbarschaft und schon gar nicht im gleichen Haus miteinander zu wohnen.
Aber dass es so weit kommt, ist noch längst nicht gesagt. Wenn drei Monate nach der Geburt eines Kindes alle Beteiligten noch nicht ganz in ihre neuen Rollen gefunden haben, ist das noch vollkommen normal.
Allerdings sollten Sie jetzt, auch wenn das mit einem kleinen Kind nicht immer leicht ist, vor allem darauf achten, dass Sie mit Ihrem Ehemann alle diese Fragen in Ruhe und in aller Ausführlichkeit besprechen. Denn er ist Ihr wichtigster Partner, das Problem mit Ihrer Schwiegermutter zu lsöen.
Wenn Sie weitere Fragen haben, freue ich mich, wenn Sie mit mir nochmals Kontakt aufnehmen.
Mit herzlichem Gruß
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery