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Zwangsstörung und Zwangsgedanken

Sexuelle Zwangsgedanken – wie wird man sie los?

Sexuelle Zwangsgedanken-
wenn Fantasien zur Qual werden

Menschen denken häufig an Sex: nach einer Studie der Ohio State University aus dem Jahr 2011 denken Männer tagsüber durchschnittlich etwa alle 30 min einmal an Sex, Frauen ungefähr alle 60 min (was übrigens ungefähr der Häufigkeit entspricht, mit der wir an Essen und Trinken denken).

Sexuelle Zwangsgedanken
erkennen und richtig einordnen

Die meisten Menschen empfinden sexuelle Gedanken als angenehm. Und aus Sicht der Sexualtherapie ist ein solches regelmäßiges Denken an Sex bzw. Essen sogar ein Zeichen psychischer Gesundheit und Selbst-Achtsamkeit. Gesund ist ein Mensch, der auf seine Bedürfnisse achtet- fehlende Selbst-Achtsamkeit macht krank.

Wo liegt also die Grenze zwischen gesunden Gedanken an Sex und sexuellen Zwangsgedanken? Die Häufigkeit, mit der ein Mensch an Sex denket, ist für sich allein KEIN Kriterium dafür, dass sexuelle Zwangsgedanken vorliegen.

Was genau sind eigentlich
sexuelle Zwangsgedanken?

Nach der ICD-10, dem Krankheitenkatalog der Weltgesundheitsorganisation, müssen folgende Bedingungen vorliegen, damit es sich bei solchen Gedanken tatsächlich um ZWANGS-Gedanken handelt:

  • Die Gedanken werden als zur eigenen Person gehörig erlebt.
  • Die Gedanken sind nicht angenehm.
  • Die Gedanken wiederholen sich fortwährend und dauern zeitlich mindestens 2 Wochen an (bis hin zu Jahren).
  • Versuche, dieses Denkkarussell zu durchbrechen, sind meist erfolglos.

Zwangsstörungen sind für die Betroffenen eine große Belastung. Ca. 2-3 Prozent der Bevölkerung sind in ihrem Leben von Zwangsstörungen betroffen.

Die Erkrankung beginnt oft schon in der Pubertät. Verschlimmerungen können schubweise durch besondere Lebensumstände ausgelöst werden, z.B. Schwangerschaft, Arbeitslosigkeit.

Die Ursache der Erkrankung liegt nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen meist sowohl an einer Störung des Hirnstoffwechsels (also einer rein körperliche Ursache, die mit Medikamenten behandelt werden kann) als auch in eingeübten Gedankenmustern, die eine psychotherapeutische Behandlung erfordern. Die Lebensqualität kann bei manchen Menschen so sehr darunter leiden, dass Suizidrisiko besteht.

Deshalb ist eine Zwangsstörung als Krankheit immer sehr ernst zu nehmen. Eine ärztliche oder therapeutische Behandlung ist unbedingt angebracht.

Was sind keine sexuelle Zwangsgedanken?

Keine sexuellen Zwangsgedanken sind gemäß obiger Definition der Weltgesundheitsorganisation:

  • Angenehme erotische Fantasien
    Auch wer sehr oft an Sex denkt, hat deswegen noch lange keine sexuellen Zwangsgedanken. Denn Häufigkeit allein ist kein Kriterium für Zwangsgedanken. Damit ein sexueller Gedanken ein Zwangsgedanke ist, muss hinzukommen, dass dieser Gedanke als unangenehm erlebt wird. Im Extremfall sind demnach sogar sexuelle Gewaltfantasien dann keine Zwangsgedanken, wenn sie dem Denkenden Lust bereiten und ihn nicht selber bedrücken.
  • Vorübergehende unangenehme sexuelle Gedanken
    Unangenehme sexuelle Gedanken können aus eigenen Erlebnissen, aber auch aus einem Film oder einem Buch herrühren und einen durchaus einige Tage lang beschäftigen. Solange sich solche Gedanken aber nicht festsetzen und nicht mehr als zwei Wochen lang das Denken beschäftigen, handelt es sich nicht um Zwangsgedanken.
  • Leicht beängstigende sexuelle Fantasien, die Lust bereiten
    Auch leicht beängstigende sexuelle Fantasien (wie z.B. Fantasien von Gewalt, Fetisch oder Homosexualität) sind keine sexuellen Zwangsgedanken, wenn sie letztlich dazu dienen, die sexuelle Lust zu erhöhen. Ein Zwangsgedanke liegt nur dann vor, wenn der Gedanke in keiner Weise als angenehm empfunden wird (und auch nicht zur erotischen Selbststimulation dient).
  • Häufiger Pornokonsum
    Auch mehrmals täglicher Pornokonsum oder der Wunsch nach solchem hat mit dem Thema sexuelle Zwangsgedanken nichts zu tun, solange das betroffene Individuum darunter nicht leidet. Zu prüfen wäre nur, ob es sich um Pornosucht handeln könnte- was aber etwas anderes ist als Zwangsgedanken.

Beispiele für sexuelle Zwangsgedanken

Der Inhalt sexueller Zwangsgedanken kann individuell sehr unterschiedliche sein. In diesem Blog habe ich einige typische Fallbeispiele gesammelt:

  • Homosexuelle Zwangsgedanken (vgl. Fallbeispiel)
    Homosexuelle Zwangsgedanken liegen vor, wenn ein heterosexuell veranlagter Mensch regelmäßig und zwanghaft von dem Gedanken gequält wird, ob er denn möglicherweise homosexuell sein könnte.

     

    Kennzeichen dafür, dass es sich tatsächlich um Zwangsgedanken handelt, ist, dass diese Gedanken als unangenehm und unangebracht empfunden werden und keinerlei sexuelle Lust bereiten. Zu solchen homosexuellen Zwangsgedanken kann auch die Zwangshandlung hinzukommen, sich regelmäßig als „Selbsttest“ Schwulenpornos anzusehen- obleich das Ansehen keinerlei Lust erzeugt und möglicherweise sogar Ekelgefühle hervorruft.

    Aber Vorsicht vor einem zu schnellen Urteil:
    Wenn das Ansehen der Schwulenpornos zwar keine Lust erzeugt, aber auch nicht als unangenehm empfunden wird, ist es möglich, dass der Betroffene schlicht nur unsicher in seiner eigenen sexuellen Rollenfestlegung ist. Die ausbleibende Erregung bei Schwulenpornos hätte dann die Ursache in der Angst, sich selbst die eigene Homosxualität oder Bisexualität einzugestehen.

  • Ständige Eifersucht (vgl. Fallbeispiel)
    Ständige Eifersucht wegen mögicher sexueller Fehltritte des Partners (ohne dass dafür irgendwelche tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen), ist eine häufige Form sexueller Zwangsgedanken. Das kann soweit gehen, dass zwanghaft immer wieder ganze Szenarien über die fantasierte Untreue des Partners bzw. der Partnerin durchgedacht werden müssen.

     

    Hier handelt es sich eindeutig um sexuelle Zwangsgedanken, wenn
    1. diese Gedanken tatsächlich nur unangenehm sind (und nicht eine doch irgendwie verquere, aber lustbringende Fantasie)
    2. das Wissen da ist, dass diese Vorstellungen keinen Anlass in der Wirklichkeit haben (ansonsten wäre das eine Wahnvorstellung).

  • Weitere Beispiele

Was könnten unangenehme wiederkehrende
sexuelle Gedanken noch sein?

  • Angstbesetzte sexuelle Gedanken
    Viele sexuell erregende Fantasien sind angstbesetzt: dazu gehören insbesondere sexuelle Gewaltfantasien (z.B. eigenes Vergewaltigtwerden), aber auch homoerotische Fantasien bei Menschen, die sich selbst eigentlich als heterosexuell sehen wollen. Diese Fantasien sind durchaus angstbesetzt, haben aber letztlich einen eigentümlichen sexuellen Reiz.

     

    In solchen Fällen lohnt sich eine therapeutische Abklärung, inwieweit sich diese Fantasien auch ohne Angst als Quelle sexueller Lust oder zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit positiv nutzen lassen. Speziell bei schweren aktiven sexuellen Gewaltfantasien ist eine therapeutische Abklärung nötig, inwieweit hier die Gefahr besteht, dass der Betroffene zum tatsächlichen Täter wird und seine Fantasien irgendwann auch in der Realität ausleben muss.

  • Flashbacks und Intrusionen
    Unangenehme sexuelle Gedanken können Erinnerungssplitter von sexuellem Missbrauch und sexueller Misshandlung in der Kindheit oder nach einer Vergewaltigung sein. Oft entwickeln Opfer erst lange nach dem traumatisierenden Ereignis Symptome, die körperlicher Natur sein können (Zittern, Schweißausbruch etc.), aber auch als belastende Gedanken auftreten können: Erinnerungsfragmente, Alpträume, bedrohliche Fantasien…

     

    In solchen Fällen ist unbedingt der Weg zu einem kompetenten Therapueten erforderlich, der abklärt, ob eine PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) nach Missbrauch vorliegt. Vgl. dazu den ausführlichen Beitrag: Missbrauch und Trauma.

  • Nebensymptom einer Depression
    Grübelzwang und negative Gedanken sind oft Anzeichen für das vorliegen einer depressiven Erkrankung. Da eine spontane Heilung ohne ärztliche und/oder therapuetische Hilfe bei Depressionen eher unwahrscheinlich ist, lohnt sich bei sexuellen Zwangsgedanken auf jeden Fall der Weg zum Arzt oder Therapeuten- allein um das Risiko des Vorliegens einer unerkannten Depression auszuschließen bzw. bei einer Depressions-Diagnose die entsprechenden therapeutischen Möglichkeiten zu nutzen und sicherzustellen, dass sich die Symptome nicht immer weiter verschlechtern.

Sexuelle Zwangsgedanken:
Möglichkeiten der Therapie

Zwangsgedanken müssen nicht sein! Und schon gar nicht im Bereich der Sexualität, die so konstituierend für unser gesamtes menschliches Wohlbefinden ist.

Zwangsgedanken sind zwar für die Betroffenen kaum alleine und ohne Hilfe auflösbar- es gibt aber mittlerweile eine ganze reihe gut erforschter therapeutischer Verfahren (überwiegend aus dem bereich der Verhaltenstherapie), mit denen sich Zwangsgedanken schon in relativ weniger Sitzungen gut in den Griff bekommen lassen.

Das gilt auch für Zwangsgedanken auf sexuellem Gebiet. Es ist daher sinnvoll, sich nicht unnötig lange mit solchen Gedanken herumzuquälen, sondern sich kompetente therapeutische Hilfe zu holen.

Vgl. auch den Artikel:

HOCD (Homosexuelle Zwangsgedanken)

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Wenn Sie dazu weitere Fragen haben, freue ich mich über Ihre Nachricht.

Mit freundlichen Grüßen

© M.Petery.
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

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Angst Depression Erektionsstörung und Erektionsprobleme Impotenz und Frigidität Probleme in der Partnerschaft Sexualtherapie- Fragen, Ablauf, Behandlung, Theorie Sexuelle Probleme Zwangsstörung und Zwangsgedanken

Sexuelle Probleme und psychische Störungen

Sexuelle Probleme und psychische Störungen

Der Sex und die Psyche: Sexuelle Probleme und psychische Störungen

Viele sexuelle Probleme sind Folge von psychischen Erkrankungen. Sexualität ist ein zentrales Element im Wesen des Menschen- von daher ist nicht besonders erstaunlich, dass sich psychische Störungen und Erkrankungen oft zuerst als ein sexuelles Problem bemerkbar machen.

Nicht jedes sexuelle Problem
ist Folge einer psychischen Erkrankung

Das soll natürlich nicht heißen, dass jedes sexuelle Problem automatisch Folge einer psychischen Störung ist. Genauso häufig gibt es auch andere Ursachen wie zum Beispiel die Erziehung in der Herkunftsfamilie. Hier können Probleme entstehen, wenn die eigene Sexualität und das von sich selbst erwartete Rollenbild nicht zusammenpassen: so kommen immer wieder Männer zu mir in die Praxis, die Homosexualität irgendwo verwerflich oder schmutzig finden- und das, obwohl sie selber homosexuell sind.

Auch sexuelle Probleme in einer Partnerschaft liegen in der Regel nicht an psychischen Störungen von einem oder beiden Partnern, sondern daran, das in den wechselseitigen Erwartungen und Bedürfnissen unterschiedliche Vorstellungen vorliegen, die den beiden Partnern oft nicht bewusst sind und erst im Verlauf einer Paartherapie deutlich werden.

Sexuelle Probleme und psychische Störungen: die häufigsten Krankheitsbilder

Es ist also Vorsicht geboten, bei vorliegenden sexuellen Problemen sofort auf eine psychische Erkrankung zu schließen. Umgekehrt macht die Sache mehr Sinn: Viele psychische Erkrankungen haben Folgen, die sich auch auf sexuellem Gebiet auswirken.

Depression

Die Hauptanzeichen einer depressiven Erkrankung sind Antriebslosigkeit, Interesseverlust und depressive Symptomatik. Zu den häufigen Nebensymptomen zählt bei Männern und Frauen aber auch die Abschwächung oder der völlige Verlust der Libido.

Das kann sich bei Männern Potenzschwäche oder Erektionsstörung bemerkbar machen, bei Frauen als Vaginismus (Scheidentrockenheit) oder Unfähigkeit zum Orgasmus (Frigidität). Eine Depression kann aber auch dazu führen, wahllos Sex zu haben, ohne ihn überhaupt gewollt zu haben.

Suchtkrankheiten:
Drogen, Nikotin und Alkohol

Eine Suchterkrankung hat erhebliche Folgen für die eigene Sexualität und kann sexuelle Probleme und psychische Störungen verursachen. Viele Drogen führen zu einer Steigerung des Sexualtriebs und einer gestörten Impulskontrolle.

Unter Drogeneinfluss kommt es häufiger zu ungeschütztem und daher auch gesundheitlich gefährlichem Sex oder zu Wahllosigkeit in Bezug auf die Sexualpartner/innen.

Diese Wahllosigkeit kann sich bei Männern so weit entwickeln, dass sich die sexuelle Leidenschaft gleichermaßen auf beide Geschlechter richtet- und das, obwohl die Betroffenen ohne Drogeneinwirkung eindeutig heterosexuell veranlagt sind.

Ebenfalls nach Cannabis-Konsum treten nach meinen eigenen Erfahrungen mit Patienten vor allem bei jüngeren Männern häufiger homosexuelle Zwangsgedanken auf, bei denen sich die Betroffenen permanent hinterfragen, ob sie nicht homosexuell sein könnten. Diese Zwangsgedanken werden als extrem unangenehm erlebt (ganz im Gegensatz zu homosexuellen Tagträumen bei Männern, die tatsächlich homosexuell veranlagt sind).

Typische Folgen von jahrelanger Nikotin-Sucht sind neben dem allgemein bekannten gesteigerten Risiko für Krebserkrankungen vor allem der Verlust der Libido mit der Folge von Erektionsschwierigkeiten und Impotenz bei Männern bzw. Verlust der Orgasmusfähigkeit bei Frauen (Frigidität).

Eine Alkoholkrankheit kann je nach Krankheitsstadium sowohl zu einer Steigerung des sexuellen Verlangens führen (das oft bei gleichzeitiger Unfähigkeit zu Erektion oder Orgasmus) oder, vor allem in fortgeschrittenem Stadium, zum teilweisen oder völligen Verlust der Libido. Im Rahmen einer Partnerschaft führt die Alkoholkrankheit zu unbegründeten Gewaltausbrüchen gegenüber dem Partner, die häufig zu Trennung und sozialer Isolation führen. Weitere Infos unter Kenn Dein Limit.

Sexuelle Probleme und psychische Störungen
bei Trauma und Missbrauch

Traumatische Erfahrungen auf sexuellem Gebiet (Erlebnisse von Missbrauch und/oder Vergewaltigung in Kindheit und/oder Erwachsenenalter) können zu psychischen Erkrankungen führen. Eine häufige Folge ist eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), deren Symptome oft erst Jahre nach dem traumatischen Erlebnis deutlich werden. Typisches Kennzeichen sind Erinnerungslücken in Bezug auf das Trauma bei gleichzeitiger ständiger Präsenz des Erlebnisses. Diese Spannung kann zu dissoziativen Zuständen führen, also dem Auseinanderfallen von Elementen der Wahrnehmung, des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität und der Motorik.

Auf sexuellem Gebiet kann ein Trauma zu Vermeidungsverhalten führen (Vermeidung von Situationen, die zu Sex führen könnten, bis hin zu vollständiger sozialer Isolation) oder zu vollständigem Verlust von Libido und Orgasmusfähigkeit.

Zwangsstörungen:
Zwangsgedanken und Zwangshandlungen

Zwangsgedanken kommen auf sexuellem Gebiet sehr häufig vor.

Das können katastrophisierende Gedanken sein wie zum Beispiel, dass der geliebte Partner bzw. die geliebte Partnerin einen schon bald verlassen wird- ohne dass es dafür in der Wirklichkeit irgendwelche tatsächlichen Hinweise gibt. Das kann auch umgekehrt die quälende Angst sein, man selber könnte plötzlich nichts mehr für seine/n Partner/in empfinden- und das, obwohl im Augenblick in der Partnerschaft alles in Ordnung ist.

Möglich sind auch andere quälende Gedanken, wie etwa die ständige bildhafte Vorstellung, wie der Sex des eigenen Partners bzw. der eigenen Partnerin mit vorherigen Exfreundinnen bzw. Exfreunden ausgesehen haben könnte.

Bei (heterosexuellen) Männern findet sich außerdem sehr häufig der Zwangsgedanke, „eigentlich“ homosexuell und damit unfähig zur Partnerschaft mit einer Frau zu sein.

Ein Beispiel für eine sexuelle Zwangshandlung wäre der permanente Drang, sich pornografische Videos ansehen zu müssen, auch wenn keine sexuelle Erregung besteht und dieser Drang als unangenehm empfunden wird..

Angststörungen

Auch Angst ist ein häufiges Thema in der Sexualtherapie. Zu beachten ist, dass Menschen mit Angststörungen selbst häufig die Angst gar nicht als das Hauptsymptom erkennen und vor allem körperliche Symptome erleben wie z.B. Schwindelgefühle, Herzrasen, Magenschmerzen etc.

Eine Angststörung bzw. phobische Störung liegt immer dann vor, wenn

  • die Angst der Situation nicht angemessen ist
  • die Angst länger deutlich anhält als die angsterregende Situation andauert
  • die besondere Form der Angst nicht erklärbar und beeinflussbar ist
  • die Angst zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität führt
  • die Angst zu Einschränkungen im Kontakt mit anderen Menschen führt.

Auf sexuellem Gebiet gibt es vor allem die Versagensangst, die im Extremfall dazu führt, dass Betroffene sexuelle Begegnungen grundsätzlich vermeiden. Dazu kommen spezielle Formen der Angst wie etwa Gymnophobie, also die Angst, selber nackt zu sein oder andere Menschen nackt zu erleben.

Sexuelle Probleme und psychische Störungen
bei einer Borderline-Störung

Hauptmerkmal der Borderline-Störung ist eine kaum auszuhaltende innere Anspannung, die sich häufig in selbstschädigendem Verhalten Erleichterung verschafft.

Das können Selbstverletzungen sein (z.B. durch Ritzen), aber auch Hochrisikoverhalten wie Gebrauch von Suchtmitteln, riskantes Autofahren oder eine wenig kontrollierte Sexualität mit wechselnden Partner/innen. (Wobei in letzterem Fall dieses Verhalten gerade bei jungen Frauen auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, sexuell ausgenutzt zu werden.)

Das ist insofern besonders problematisch, da Menschen mit einer Borderline-Störung oft bereits in der Kindheit sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren, und sich somit traumatische Erfahrungen der Vergangenheit immer weiter fortsetzen. Vgl. dazu auch das Fallbeispiel Sexuelle Gewaltfantasien bei Frauen.

Menschen mit Borderline-Störung haben häufig eine große Sehnsucht nach einer engen und dauerhaften Beziehung. Da sie in ihrer Kindheit oft nicht erfahren konnten, was die Geborgenheit in einer Familie bedeutet (inkl. aller Aufs und Abs, die im Alltag dazugehören), haben Menschen mit Borderline-Störung oft unrealistische Erwartungen an eine Beziehung. Das zeigt sich in vielen Fällen durch
die Neigung, andere Menschen entweder stark zu idealisieren oder abzuwerten.

Das kann in einer Beziehung dazu führen, dass die Vorzüge des Partners bzw. der Partnerin zunächst völlig überhöht positiv gesehen werden mit der Folge einer um so tieferen Enttäuschung, wenn der Partner bzw. die Partnerin diese hohen Erwartungen später nicht auf Dauer erfüllen kann.

Von daher erklärt sich, dass Beziehungen, auch wenn sie mit großen Erwartungen begonnen wurden, oft nicht sehr lange anhalten- es sei denn, der Partner bzw. die Partnerin bringen sehr viel Verständnis für die Erkrankung auf und schaffen es, die Partnerschaft auf einem mittleren Level zischen Idealisierung und Entwertung zu stabilisieren.

Neben einer speziellen Therapie mit dem Ziel des Spannungsabbaus (und ggf. auch der Traumaverarbeitung) für den Borderline-Patienten bzw. die Borderline Patientin, kann also auch eine paartherapeutische Begleitung sinnvoll sein.

Sexuelle Probleme und psychische Störungen
bei Persönlichkeitsstörungen

Persönlichkeitsstörungen sind gemäß der ICD-10, dem Krankheitenkatalog der Weltgesundheitsorganisation, „tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen.“

In der Regel verspüren Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung selbst nur geringen Leidensdruck- ihre Umwelt oder ihre Partnerinnen oder Partner dafür umso mehr. Rein statisch ist jede fünfte Partnerschaft betroffen.

Vgl. dazu den ausführlichen Beitrag über Perönlichkeitsstörungen in der Partnerschaft.

Weitere Störungsbilder

Hierzu gehören z.B. Störungen im Bereich des Autismusspektrums.
Auch wenn Autisten Schwierigkeiten haben, Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen, haben sie trotzdem sexuelle Bedürfnisse, die in der Regel durch Masturbation befriedigt werden.

Hier kommt es auf eine behutsame Sexualerziehung an, welche den Betroffenen nichts aufdrängt (und keinesfalls sexuell ausbeutet!), gleichzeitig aber auch vor Situationen schützt, die ihnen schaden (Masturbation in der Öffentlichkeit, Verletzungen durch Einsatz ungeeigneter Gegenstände bei der Masturbation).
Vgl. dazu den Aufsatz zu Sexualität und Autismus von Karin Dreisigacker.

Beim Asperger-Syndrom verspüren Betroffene oft den lebhaften Wunsch nach Partnerschaft und Sexualität. Eine große Schwierigkeit bereitet allerdings das Kennenlernen eines geeigneten Partners bzw. einer geeigneten Partnerin, die Verständnis für die Eigenheiten von Menschen mit Asperger-Syndrom hat (Spezialinteressen, Reizüberforderung bei sozialen Anlässen etc.). Um diese Schwierigkeit zu überwinden, kann eine einfühlsame Therapie sehr hilfreich sein, die darauf abzieht, soziale Skills einzuüben und zu trainieren.

ADHS im Erwachsenenalter kann sich im Bereich Sexualität auf sehr unterschiedliche Art und Weise auswirken. Während Frauen mit ADHS oft erst relativ spät mit Ende 20 ihre Freude an der Sexualität entdecken, haben junge Männer mit ADHS oft ein stark gesteigertes sexuelles Interesse („Hypersexualität„).

Beiden Geschlechtern gemeinsam ist bei ADHS oft eine überdurchschnittliche Experimentierfreude beim Sex und eine große Akzeptanz auch von Partnern, die nicht dem gängigen Idealbild entsprechen. Impulsivität und rasche Stimmungsumschwünge können in der Partnerschaft Beziehungsprobleme bereiten. In solchen Fällen kann eine Paartherapie dazu beitragen, das gegenseitige Verständnis für die jeweiligen Eigenheiten des anderen Partners zu fördern.

Sexuelle Probleme und psychische Störungen: eine Aufgabe für den Spezialisten

Ob eine psychische Erkrankung (Mit-)Ursache für sexuelle Probleme ist oder nicht, ist oft auch für den Spezialisten nicht auf den ersten Blick erkennbar. Deswegen sind spezielle Untersuchungen nötig, um genaue Klarheit zu gewinnen und auf dieser Grundlage das geeignete Therapieverfahren zu wählen (z.B. Verhaltenstherapie oder Gesprächstherapie).

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© M.Petery
Wenn Sie möchten, können Sie sich mit weiteren Fragen gern an mich wenden.

Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

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Homosexualität Zwangsstörung und Zwangsgedanken

Homosexuelle Zwangsgedanken

Homosexuelle Zwangsgedanken-
Bin ich schwul oder nicht?
Ein Erfahrungsbericht

Seit etwa zwei Monaten quälen mich (m, 37) täglich homosexuelle Zwangsgedanken. Das geht mir seit dem Tag so, als ich eigentlich Sex mit meiner Freundin hatte, aber überhaupt keine Erregung zustande gebracht habe. Da setzte sich der Gedanke fest: Möglicherweise kannst du nicht, weil du eigentlich homosexuell bist.

Mittlerweile lässt mich dieser Gedanke überhaupt nicht mehr los. Mir ist jetzt eingefallen, dass schon in der Schule die Mitschüler in der Turnkabine mich als „schwul“ gehänselt haben. Und sogar meine Mutter hatte mal zu mir gesagt, als ich mit 17 noch keine Freundin hatte, dass ich vielleicht schwul wäre. Tatsächlich ist es mir auch schon mehrfach so gegangen, dass schwule Männer irgendwie auf mich zu stehen scheinen und mich schon ein paar Mal angesprochen haben.

Dabei habe ich bis vor zwei Monaten mich pornomäßig immer nur für Frauen interessiert.

Das ist die letzten Wochen anders- da schaue ich nur noch Schwulenpornos, auch wenn ich eigentlich gar keine richtige Lust dazu habe. Wahrscheinlich will ich so herausfinden, ob ich schwul bin oder nicht. Besonders anmachen tut mich das nicht.

Ehrlich gesagt- ich weiß jetzt überhaupt nicht mehr wo ich stehe. Die Beziehung mit meiner Freundin ist auseinandergegangen, ohne dass wir über den Grund gesprochen haben. Vielleicht lag es daran, dass ich sexuell so versagt habe. Allerdings war das nur bei diesem letzten Mal so, davor hatte ich keine Probleme.

Bin ich jetzt schwul oder nicht?

Uwe D.. (Name geändert)

Homosexuelle Zwangsgedanken-
Schwulenpornos als Homo-Test

Hallo Uwe,

beim letzten Mal Sex mit Ihrer Freundin hatten Sie keine Erektion. Kurz darauf ist Ihre Beziehung auseinandergegangen. Seitdem plagen Sie homosexuelle Zwangsgedanken und Sie schauen täglich Schwulenpornos, um herauszufinden, ob Sie homosexuell sind.

Homosexualität und Zwangsgedanken-
Das sind zwei paar Stiefel…

Mir fällt auf, dass Sie in Ihrer Nachricht drei Problembereiche miteinander vermengen:

  • Die Trennung von Ihrer Freundin
  • Die quälenden Zwangsgedanken
  • Die Frage, ob Sie homosexuell sind oder nicht

Da diese drei Themenbereiche sehr unterschiedlich sind, lohnt es sich aus meiner Sicht, sie jeweils für sich näher zu betrachten.

Um der Sache wirklich auf den Grund zu gehen, wäre es jetzt nötig, dass wir uns sehr viel ausführlicher über die ganze Angelegenheit unterhalten. Nehmen Sie deswegen die folgenden Gedanken als erste Anregung zum Nachspüren, ob sich meine Überlegungen für Sie selbst stimmig anfühlen oder nicht.

Wenn Sie möchten, können und sollten wir uns viel ausführlicher unterhalten.

Die Trennung von der Freundin

Ich kann mir nach meinem ersten Eindruck nur schwer vorstellen, dass die fehlende Erektion beim letzten Sex mit Ihrer Freundin tatsächlich der Grund für Ihre Trennung gewesen ist.

Mir scheint es sehr viel wahrscheinlicher, dass sich die Trennung schon vorher angebahnt hat- auch wenn Sie selbst das bewußt gar nicht mitbekommen haben.

Aber irgendwie hätten Sie bei diesem letzten Sex bereits selbst gespürt, dass mit Ihrer Beziehung etwas nicht stimmt. Das scheint aus meiner Sicht ein sehr viel einleuchtenderer Grund für Ihre Erektionsstörung als das plötzliche Aufkommen homosexueller Zwangsgedanken.

Im Augenblick Ihrer Erektionsstörung hätten Sie dann lieber sich selbst und Ihrer möglichen Homosexualität die Schuld am misslungenen Sex zugeschoben- statt sich einzugestehen, dass möglicherweise in Ihrer Beziehung insgesamt etwas nicht stimmt.

Es könnte sich also für Sie lohnen darüber nachzudenken, ob es noch weitere Gründe gibt, warum Ihre Freundschaft auseinander gegangen ist.

Homosexuelle Zwangsgedanken

Wenn Sie seit zwei Monaten täglich darüber nachdenken, ob sie Homosexuell sind oder nicht, und wenn Ihnen dieser Gedanke unangenehm ist- dann ist das ein klassischer Fall von Zwangsgedanken. Wenn Sie dazu auch noch täglich Schwulenpornos ansehen, ohne daran Genuß zu finden, dann sind das obendrein auch noch Zwangshandlungen, die Sie verfolgen.

Eine solches Verhalten ist im englischen Sprachraum als HOCD (homosexual obsessive compulsive disorder) bekannt. Im deutschen Sprachraum igibt es derzeit mur wenige Therapeuten, die sich mit diesem Störungsbild beschäftigen.

Da ein Mensch selbst aus solchen Zwängen nur schwer wieder herausfindet, sobald diese sich über einen Zeitraum von mehr als 14 Tagen verfestigt haben, ist es sinnvoll, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Oft haben Zwangsgedanken den unbewußten „Zweck“, andere, noch unangenehmere Gedanken zu verdecken. Bei Ihnen wäre da zu prüfen, ob die homosexuellen Zwangsgedanken Sie möglicherweise davon freistellen, sich über die gründe für das Scheitern Ihrer Beziehung insgesamt Gedanken machen zu müssen.

Homosexuell oder nicht?

Homosexualität ist kein Defizit an Männlichkeit, sondern eine sexuelle Präferenz: Sie sind dann homosexuell, wenn Sie Menschen ihres eigenen Geschlechts für sexuell begehrenswert halten.

Nach Ihrer eigenen Beschreibung werden Sie durch die täglichen Schwulenpornos nicht erregt, so dass das Anschauen dieser Pornos für sich genommen kein Indiz dafür ist, dass Sie homosexuell sind (sondern nur dafür, dass Sie an einer Zwangserkrankung leiden).

Allerdings scheint Ihre sexuelle Erregbarkeit mit dem Ende Ihrer Beziehung insgesamt gelitten zu haben. Es ist also gerade kein besonders günstiger Zeitpunkt für die Frage, an welchem Sex Sie nun eigentlich Freude haben, da in Sachen Sex insgesamt gerade nichts läuft.

Wenn Sie, am besten im Rahmen einer Sexualtherapie, das Ende Ihrer Beziehung und das Problem Ihrer Zwänge aufgearbeitet haben, kann sich die Frage nach der Homosexualität aber durchaus noch einmal für Sie stellen, dann aber als der sehr viel angenehmere Gedanke: Welche sexuellen Fantasien machen mir Freude und erregen mich?

Sollte sich dann herausstellen, dass Ihnen der Gedanke an einen männlichen Freund besser gefällt als der an eine Freundin, dann könnte der Zeitpunkt gekommen sein, sich auf die entsprechende Suche nach einem Mann zu machen. Und wenn nicht- dann nach einer neuen Frau.

Wenn Sie dazu weitere Fragen haben, freue ich mich über Ihre Nachricht.

Mit freundlichen Grüßen
© M.Petery.
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

Homosexuelle Zwangsgedanken
Weitere Infos auch in folgenden Beiträgen:

Bin ich homosexuell -
oder nicht?
Lesbisch-
Lust auf die beste Freundin
Entdeckung der Homosexualität als verheirateter Mann


Coming-Out: Sagen, dass ich homosexuell bin
Bin ich bisexuell? Freundin will Gegenbeweis

Homosexuelle Zwangsgedanken- wie werde ich sie los?
HOCD- Homosexuelle Zwangsgedanken
HOCD Homosexual Obsessive Compulsive Disorder