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Sexuelle Fantasien vs. sexuelle Wünsche

Sexuelle Fantasien bei Hieronymus Bosch: Der Garten der Lüste. Detail. Prado-Museum, Madrid.

Sexuelle Fantasien und sexuelle Wünsche

Sexuelle Fantasien und sexuelle Wünsche sind nicht das gleiche: Eine wichtige Aufgabe in der Sexualtherapie ist es, zwischen beiden zu unterscheiden. Hier eine erste Definition zur Orientierung:  Fantasien finden (nur) im Kopf statt, sexuelle Wünsche zielen darauf, in der Wirklichkeit ausgelebt zu werden.

Sexuelle Fantasien als Tagträume

Die sexuelle Fantasie gehört in den Bereich der Tagträume, mit denen wir in unserem Kopf eine Art parallele Wirklichkeit  erleben. Solche Tagträume können als „schöne Vorstellung“ unser Leben außerordentlich bereichern und uns speziell auf sexuellem Gebiet „anturnen“. Manche dieser Träume sind nicht erfüllbare Fantasien: davon leben viele Illustrierte (für Frauen und für Männer), die uns attraktive Sexualpartner als Bilder vorstellen, von denen wir zumindest für den Moment des Durchblätterns träumen können, ohne dass es uns in den Sinn käme, mit den abgebildeten Personen tatsächlich sexuellen Kontakt aufnehmen zu wollen.
© M.Petery.
Ganz ähnlich ist auch das Kino mit der Verehrung männlicher oder weiblicher Filmstars eine solche von den Produzenten gewollte  und sehr gezielt geplante Anregung zu sexuellen Tagträumen. Man denke nur an den ersten James Bond-Film mit SSean Connery als James Bond und Ursula Andress als Honey Ryder: die berühmte Muschelszene hat ein männliches und weibliches Millionenpublikum in sexuelle Tagträume versetzt.  Und das, ohne dass es den Zuschauern in den Sinn gekommen wäre, tatsächlichen sexuellen Kontakt mit einem der beiden Schauspieler aufzunehmen. (Vom Stalking als sexuellem Problem sehen wir an dieser Stelle einmal ab- dazu ein anderes Mal mehr.)

Sexuelle Fantasien und ihre Grenzen

Eine besondere Form solcher Tagtraumproduktion für sexuelle Fantasien ist die Pornoindustrie- auch hier gilt: grundsätzlich sind Anregungen zu sexuellen Tagträumen etwas Schönes, das unser Leben bereichern kann. Allerdings mit einigen Einschränkungen:

  1. Auch „schöne“ Tagträume aus der Pornografie können belastend sein, wenn sie so weit in die Wirklichkeit hineinlappen, dass sexuelle Erfahrungen in der Realität ständig in einer Konkurrenzsituation zu diesen Träumen stehen- und dann möglicherweise enttäuschend sind. Denn nichts kann so traumhaft schön sein wie ein Traum… (Wirklichkeit ist eben niemals traumhaft schön, dafür kann sie aber  wirklich schön sein, was sogar noch befriedigender ist.)
  2. Der Konsument pornografischer Tagträume trägt für die Produktionsbedingungen der konsumierten Pornografie eine  hohe Mitverantwortung.  Pornografische Werke, die bei der Produktion anderen Menschen schwere psychische Schäden zufügen (z.B. gefilmte Vergewaltigungen, Kinderpornografie), sind zu Recht ein Fall für strafrechtliche Ermittlungen. Wer solche Produktionen zwanghaft konsumiert, benötigt pychiatrische Hilfe.
  3. Es gibt durchaus auch unangenehme sexuelle Fantasien- die dann allerdings weniger in den Bereich der Tagträume gehören, sondern eher zur Gruppe  psychisch belastender Zwangsvorstellungen (sexuelle Zwangsgedanken) , von denen der Betroffene ohne therapeutische Hilfe selbst nur schwer loskommen kann.

Sexuelle Fantasien und sexuelle Wünsche als Bestandteil lebendiger Sexualität

Von diesen Punkten einmal abgesehen, sind sexuelle Fantasien etwas, das unser Leben sehr bereichern kann, insbesondere, wenn einem klar ist: Nicht jede sexuelle Fantasie muss auch Wirklichkeit werden. Oder anders formuliert: Bei vielen sexuellen Fantasien ist es gut und richtig, wenn sie sich nie zum sexuellen Wunsch weiterentwickeln.

Es gibt aber auch sexuelle Fantasien, die sich durchaus mit Genuss zu einem sexuellen Wunsch weiterentwickeln lassen. Eine solche Entwicklung vom Tagtraum zum Wunsch und vom Wunsch zur Realisierung liegt letztlich jeder beginnenden sexuellen Partnerschaft zugrunde. Am Anfang steht die Fantasie, sie oder er  könnte die „Traumfrau“ oder der „Traumprinz“ sein. Daraus entwickelt sich dann der Wunsch, tatsächlich miteinander in Kontakt zu treten- und wenn dieser Wunsch wechselseitig ist, entsteht daraus schließlich die Beziehung in der Wirklichkeit.

Und was so im Großen für die Partnerschaft insgesamt gilt, kann auch für einzelne Fantasien gelten. Zuerst der Gedanke „Es wäre doch schön, wenn wir … machen würden“ (Über konkrete Inhalte sexueller Fantasien soll es ein anderes Mal gehen), dann der sexuelle Wunsch: „Das will ich tatsächlich machen…“  und schließlich die konkrete Planung und Umsetzung. (Auch zur Frage: „Wie sag ich´s meinem Partner?“ ist ein eigener Eintrag in diesem Blog geplant.)

In diesem Sinne können sexuelle Tagträume bzw. Fantasien sich zu sexuelle Wünschen weiterentwickeln: nämlich das, von dem man träumt, endlich  auch tatsächlich in Wirklichkeit zu erleben. Das ist ganz ähnlich wie bei der Vorbereitung einer Urlaubsreise zu einem noch unbekannten Ziel: In unseren Gedanken sind wir längst vor der Reise dort ankommen, legen uns Bilder von unserer Reise zurecht, in denen unsere  Vorfreude zum Ausdruck kommt. Und wenn es dann später am Urlaubsort doch ganz anders aussieht als in unseren Fantasien, ist das längst kein Grund, dort die endlich tatsächlich wirklich gewordenen Ferien nicht rundum zu genießen- und neue Bilder zu gewinnen, von denen wir dann bis zum nächsten Urlaub tagträumen können.
© M.Petery.
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

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