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Sexuelle Probleme

Mein Vater hat bezahlten Sex im Altenheim

Eine peinliche Geschichte: Als ich das letzte Mal für meinen Vater (87) die Belege seiner Kontoauszüge geprüft habe, gab es da einige Hundert Euro Barauszahlungen, wie sie vorher noch nie vorgekommen waren. Als ich meinen Vater darauf angesprochen habe, wollte er nichts dazu sagen, meinte nur, das wäre schon in Ordnung so.

Ich habe mir dann eine der Pflegerinnen vorgenommen, und die rückte dann mit der Wahrheit heraus. Ja, hier im Altenheim werden Besuche von sogenannten „Sexualassistentinnen“ von der Heimleitung geduldet, d.h. von Prostituierten, die allein lebenden Männern wie meinem Vater Sex gegen Geld verkaufen.

Ich habe mich darüber sehr geärgert. Ich finde es schlimm, dass die Heimleitung es duldet, dass Männer wie mein Vater von Prostituierten im Altenheim ausgenommen werden. Was kann ich dagegen tun?

Silke K. (Name geändert)

Was Kinder über Eltern
lieber nicht wissen wollen

Hallo Silke,

für Sie als Tochter ist das eine Entdeckung, die Sie offenbar lieber nicht gemacht hätten. Diese Entdeckung ist sicher nicht einfach für Sie. Wie Sie selbst damit umgehen können, dazu folgen ein paar Anmerkungen weiter unten.

Zunächst aber direkt zu Ihrer Frage, was Sie gegen den bezahlten Sex Ihres Vaters tun können. Die Frage hat sowohl juristische wie auch psychotherapeutische Aspekte.

Sex im Altenheim- die juristische Seite

Bei der Klärung des juristischen Aspekts wird Ihnen am besten ein Rechtsanwalt helfen können. Die nachstehenden Ausführungen sind also nur als vorläufige Einschätzung zu verstehen und nicht als juristische Beratung.

Da Ihr Vater selbst über sein Girokonto verfügen kann, ist er offensichtlich geschäftsfähig und in finanziellen Dingen keinem Betreuer zugewiesen. Deshalb hat er das Recht, über sein Geld so zu verfügen, so wie er es möchte. Da macht es keinen Unterschied, ob er noch zuhause wohnt oder im Altenheim. Es scheint mir also kaum möglich, dass Sie Ihrem Vater die Prostituiertenbesuche verbieten.

Wenn Sie dagegen annehmen, dass Ihr Vater nicht mehr geschäftsfähig ist und die Zahlungen ohne ein ausreichendes Verständnis der Sache vorgenommen hat, könnten Sie das als Anlass nehmen, die Zuteilung eines Betreuers für Ihren Vater in finanziellen Dingen anzuregen. Das gleiche gilt, wenn Sie meinen, die Prostituierte hätte altersbedingte Einschränkungen seiner Denkleistung für überhöhte Honorarforderungen missbraucht.

Allerdings werden Sie sich bei dem Vorschlag einer Betreuung für Ihren Vater möglicherweise selbst der Frage ausgesetzt sehen, warum Sie das tun und ob Sie Ihrem Vater die Prostituiertenbesuche aus eigennützigen Gründen nicht gönnen- etwa, damit Ihr Erbe durch solche Ausgaben nicht geschmälert wird.

Aber sogar dann, wenn die Finanzgeschäfte Ihres Vaters durch einen Betreuer getätigt würden (z.B. bei Demenz), könnte es sein, dass der Betreuer im Einvernehmen mit der Pflegeleitung im Heim zu dem Entschluss gekommen ist, es wäre angebracht, für Ihren Vater sexuelle Dienstleistungen einzukaufen.

Sexualität und sexuelle Bedürfnisse enden nicht mit dem Eintritt ins Altenheim oder durch den Eintritt einer Demenzerkrankung. Bei demenzkranken Männern, die sexuell nicht befriedigt sind, kommt es immer wieder in Alten- und Pflegeheimen zu Übergriffen gegenüber Betreuerinnen oder Mitbewohnerinnen. Insofern liegt die Dienstleistung der Sexualassistentinnen sogar im Interesse der Heimleitung- sowohl in Hinsicht auf das Wohl des Patienten selbst wie auch des Personals und der Mitbewohner. Immerhin ist es heute wohl schon in jedem zweiten Alten- und Pflegeheim in Deutschland üblich, solche Besuche zuzulassen.
© M.Petery.

Sex im Altenheim-
Anmerkungen aus sexualtherapeutischer Sicht

Sexualität ist ein zentrales Bedürfnis des Menschen. Die freie Entfaltung der Sexualität gehört zu den menschlichen Grundrechten und ist entscheidend für die persönliche Lebensqualität. Das gilt für Menschen in jedem Lebensalter.

Insofern ist Sexualität im Altenheim grundsätzlich sehr zu begrüßen, solange sie niemanden belästigt oder schadet. Ein solcher Schaden ist durch die Prostituiertenbesuche bei Ihrem Vater nicht zu erkennen. Im Gegenteil- vielleicht fühlt sich Ihr Vater sogar besser, seitdem er eine Lösung für seine sexuelle Befriedigung gefunden hat.

Solange sich Ihr Vater nicht selbst über die Prostituierte beklagt, gibt es aus sexualtherapeutischer Sicht keinen Grund, hier einzuschreiten. Vielmehr ist es zu begrüßen, dass Ihr Vater hier für sich selbst zu sorgen weiss.

Sex im Altenheim-
Und wie gehen Sie selbst damit um?

Bleibt als letzte Frage, wie Sie selbst mit dem umgehen, was Sie über Ihren Vater erfahren haben.

Wenn Sie den Gedanken daran nicht recht aushalten können und Ihrem Vater nach wie vor den Sex am liebsten komplett verbieten möchten, dann könnte es sein, dass sich für Sie persönlich eine psychotherapeutische Beratung lohnen könnte. Mögliche Themen eines solchen Gespräches wären:

  • Warum ist es mir so wichtig, dass mein Vater im Altenheim keinen Sex mit einer Prostituierten hat?
  • Was bedeutet dieses Tun meines Vaters für mich?
  • Wo liegt der Berührungspunkt mit meiner eigenen Person?

Hier lohnt es sich möglicherweise, ggf. etwas genauer hinzusehen. Denn wahrscheinlich gibt es dann eine Möglichkeit, wie Sie persönlich durch die Klärung dieser Fragen Ihre eigene Lebensqualität verbessern können und Ihren Vater einfach den lassen können, der er nun einmal ist.

Gern stehe ich Ihnen für weitere Rückfragen zur Verfügung.

© M.Petery.
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery


Von mpetery

Zuletzt aktualisiert am 19.09.2017.

Ein paar Worte zu meiner Person:
Mein Name ist Michael Petery, bin verheiratet und arbeite in Hildburghausen (30km nordwestlich von Coburg) in meiner Praxis für Psychotherapie gemäß Heilpraktikergesetz.

Studiert habe ich in Tübingen, Paris und Berlin. Bis 2014 war ich am Universitätsklinikum in München-Großhadern tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Palliativmedizin und der Professur für Spiritual Care bei Prof. Dr. Eckhard Frick (Pychiatrie) und Prof. Dr. Traugott Roser (ev. Theologie). Daneben habe ich meine Klienten in eigener Praxis in München-Schwabing betreut.

Leitfiguren für meine therapeutische Arbeit sind Carl Rogers (clientenzentrierte Gesprächstherapie), Fritz Perls (Gestalt-Therapie) und Irvin D. Yalom.

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