Kategorien
Sexualtherapie- Fragen, Ablauf, Behandlung, Theorie Sexuelle Probleme

Sex im Alter- ein gutes Stück Lebensqualität

Sex im Alter-
die Fähigkeit zum Orgasmus endet nicht

Sex im Alter: Viele Menschen hegen immer noch das Vorurteil, dass die menschliche Sexualität spätestens mit dem Renteneintritt endet. Das ist grundfalsch, genauso wie der Glaube, der Mensch würde -nur wegen seines Alters und ohne irgendwelche Krankheit- zu einem bestimmten Zeitpunkt seines Lebens seinen Geschmackssinn oder seine Kopfrechenkenntnisse verlieren.

Manche Menschen, darunter besonders viele Frauen, haben in ihrem bisherigen Leben nur wenig wirklich befriedigende Erfahrungen mit Partner-Sex gemacht und sind daher sogar ein Stück weit froh, dieses Thema hinter sich zu lassen. Das ist schade, da Untersuchungen gezeigt haben, dass es auch mit über 70 noch möglich ist, die Freude an der Onanie zu entdecken.

Zahlreiche Studien haben sich mit dem Thema Sex im Alter beschäftigt, zuletzt etwa an der Uni Rostock 2014. Durch die wissenschaftlichen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden: Die Orgasmusfähigkeit geht auch bei Menschen weit über 80 nicht verloren. Sex ist also keine Frage des Alters!

Veränderungen beim Sex im Laufe des Lebens

Bei Frauen steigt das sexuelle Interesse im Durchschnitt bis zum 35. Lebensjahr an und bleibt dann lange stabil. Auch zwischen 60 und 80 haben ein Drittel der Frauen regelmäßig Sex mit ihrem Partner, noch mehr Frauen würden gern Sex haben, wenn sie einen geeigneten Partner hätten. Bei den alleinstehenden Frauen über 60 ist das Interesse an sexueller Selbstbefriedigung besonders hoch. Insgesamt ist zu beobachten, dass sich Menschen mit zunehmenden Alter sogar zufriedener mit ihrer Sexualität äußern.

Bei Männern sind diese Prozentsätze sogar noch höher. Dabei ist zu beobachten, dass das Bildungsniveau offensichtlich etwas mit der Qualität des Sex im Alter zu tun hat. Tendenziell haben Personen mit Abitur eine größere Chance, lange sexuell aktiv zu sein als Menschen mit niedrigeren Schulabschlüssen. Offensichtlich sind Vorurteile gegen Sex im Alter in der Bildungsschicht weniger verbreitet.

Im Alter verlagert sich die Form des sexuellen Miteinander hin zu den „weicheren“ Formen des Sex: Streicheln, Schmusen, Kuscheln wird beim Sex besonders wichtig. Der Vorgang der sexuellen Erregung dauert bei Männern und Frauen zunehmend länger, deshalb gewinnt das zärtliche Vorspiel immer mehr an Bedeutung: Der Mann braucht Zeit für eine ausreichende Erektion, die Frau, um genug Feuchtigkeit in der Scheide zu bilden. Diese zeitliche Verzögerung und längere Gesamtdauer des sexuellen Miteinander wird von den befragten Personen als angenehm empfunden.

Sex im Alter-
Körperliche und mentale Hindernisse

Natürlich gibt es im Alter auch krankheitsbedingte Probleme, die die Freude am Sex beeinträchtigen können, wie z.B. chronische Schmerzen, die Nebenwirkungen von Medikamenten, die Folgen von Operationen. In diesen Fällen ist es wichtig, das Problem ganz offen mit dem Arzt zu besprechen. Medizinische Lösungen kann es nur da geben, wo der Arzt um das Problem weiß. Falsche Scham vor dem Thema Sex ist im ärztlichen Gespräch immer unangebracht.

Haupthindernis für guten Sex im Alter sind allerdings nicht körperliche Gebrechen, sondern die eigene Haltung. Wer glaubt, er sei „zu alt für Sex“, der hat auch keinen. Auch der (Irr-)Glaube, der Partner würde einen nicht länger attraktiv genug finden, kann eine solche Haltung bestärken. Was besonders schade ist, wenn sich der Partner eigentlich nichts sehnlicher wünscht, als dass es mit dem Sex weitergeht…

Wenn also psychische Ängste und Hemmungen so stark werden, dass der Sex nicht mehr möglich scheint, kann der Gang zum Therapeuten eine große Erleichterung und Hilfe sein. Denn die sexuellen Möglichkeiten im Alter, sei es mit dem Partner, sei es durch Masturbation, sind einfach zu schön, als dass ein Mensch darauf verzichten sollte.

Vorteile des Sex im Alter

Sex im Alter ein sehr wichtiges Element, um sich die Lebensqualität zu erhalten und vielleicht sogar zu steigern. Es gibt sogar Vorteile gegenüber den früheren Jahren:

  • Verhütung ist kein Problem mehr. Nach der Menopause stört auch die Menstruation nicht mehr.
  • Oft ist bei beiden Partnern die Orgasmusfähigkeit besser, da äußere Stressfaktoren (Verantwortung in Beruf und Familie) nicht mehr so stark sind.
  • Männer haben seltener einen vorzeitigen Samenerguß: der Sex dauert für beide länger und ist befriedigender.
  • Der Wunsch und das Erlebnis der körperlichen Nähe werden intensiver empfunden.
  • Das spielerische Element beim Sex wird wichtiger, da oft nicht mehr der Orgasmus als unbedingtes Ziel der gemeinsamen Sexualität gesehen wird.

„Technische Hinweise“

Bei Frauen kann es mit zunehmendem Alter sein, dass nicht ausreichend Scheidenflüssigkeit produziert wird, um als Gleitflüssigkeit beim Koitus zu dienen. Folge können Risse in der Scheidenwand sein, welche ihrerseits zu Infektionen und Schmerzen führen können.

Die reichliche und rechtzeitige Anwendung von entsprechenden Gels oder auch von Tabletten, welche die Produktion der Scheidenflüssigkeit anregen, kann ohne große Probleme Abhilfe schaffen. Das einzige Hindernis für guten Sex liegt im Kopf, wenn sich die Partner aus falscher Scham nicht um die geeignete Lösung kümmern und z.B. sich nicht durch Arzt oder Apotheker beraten lassen.

Das gleiche gilt auch für ein anderes „technisches Problem“ beim Geschlechtsverkehr, nämlich das ungewollte Austreten von Urin, und zwar bei Mann und Frau. Wenn diese Inkontinenz als störend empfunden wird, gibt es in der Regel verlässliche und einfache Therapiemöglichkeiten. Sprechen Sie einfach mit Ihrem Arzt über das Thema.

Offene Kommunikation ist wichtig

Wie immer beim Thema Sex- es ist wichtig, miteinander zu reden. Niemand kann die Bedürfnisse des anderen erraten. Auch und gerade im Alter ist es wichtig, wenn sich die Partner gegenseitig sagen, was sie sich voneinander in puncto Sex wünschen.

Und nicht zuletzt: Es ist auch gesellschaftlich wichtig, offen über Sex im Alter zu sprechen. Damit endlich das Vorurteil aus den Köpfen verschwindet, wonach ein Mensch mit dem Eintritt ins Rentenalter die Möglichkeit zu einem erfüllten Sexualleben verliert.

© M.Petery.
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

Kategorien
Sexuelle Probleme

Mein Vater hat bezahlten Sex im Altenheim

Eine peinliche Geschichte: Als ich das letzte Mal für meinen Vater (87) die Belege seiner Kontoauszüge geprüft habe, gab es da einige Hundert Euro Barauszahlungen, wie sie vorher noch nie vorgekommen waren. Als ich meinen Vater darauf angesprochen habe, wollte er nichts dazu sagen, meinte nur, das wäre schon in Ordnung so.

Ich habe mir dann eine der Pflegerinnen vorgenommen, und die rückte dann mit der Wahrheit heraus. Ja, hier im Altenheim werden Besuche von sogenannten „Sexualassistentinnen“ von der Heimleitung geduldet, d.h. von Prostituierten, die allein lebenden Männern wie meinem Vater Sex gegen Geld verkaufen.

Ich habe mich darüber sehr geärgert. Ich finde es schlimm, dass die Heimleitung es duldet, dass Männer wie mein Vater von Prostituierten im Altenheim ausgenommen werden. Was kann ich dagegen tun?

Silke K. (Name geändert)

Was Kinder über Eltern
lieber nicht wissen wollen

Hallo Silke,

für Sie als Tochter ist das eine Entdeckung, die Sie offenbar lieber nicht gemacht hätten. Diese Entdeckung ist sicher nicht einfach für Sie. Wie Sie selbst damit umgehen können, dazu folgen ein paar Anmerkungen weiter unten.

Zunächst aber direkt zu Ihrer Frage, was Sie gegen den bezahlten Sex Ihres Vaters tun können. Die Frage hat sowohl juristische wie auch psychotherapeutische Aspekte.

Sex im Altenheim- die juristische Seite

Bei der Klärung des juristischen Aspekts wird Ihnen am besten ein Rechtsanwalt helfen können. Die nachstehenden Ausführungen sind also nur als vorläufige Einschätzung zu verstehen und nicht als juristische Beratung.

Da Ihr Vater selbst über sein Girokonto verfügen kann, ist er offensichtlich geschäftsfähig und in finanziellen Dingen keinem Betreuer zugewiesen. Deshalb hat er das Recht, über sein Geld so zu verfügen, so wie er es möchte. Da macht es keinen Unterschied, ob er noch zuhause wohnt oder im Altenheim. Es scheint mir also kaum möglich, dass Sie Ihrem Vater die Prostituiertenbesuche verbieten.

Wenn Sie dagegen annehmen, dass Ihr Vater nicht mehr geschäftsfähig ist und die Zahlungen ohne ein ausreichendes Verständnis der Sache vorgenommen hat, könnten Sie das als Anlass nehmen, die Zuteilung eines Betreuers für Ihren Vater in finanziellen Dingen anzuregen. Das gleiche gilt, wenn Sie meinen, die Prostituierte hätte altersbedingte Einschränkungen seiner Denkleistung für überhöhte Honorarforderungen missbraucht.

Allerdings werden Sie sich bei dem Vorschlag einer Betreuung für Ihren Vater möglicherweise selbst der Frage ausgesetzt sehen, warum Sie das tun und ob Sie Ihrem Vater die Prostituiertenbesuche aus eigennützigen Gründen nicht gönnen- etwa, damit Ihr Erbe durch solche Ausgaben nicht geschmälert wird.

Aber sogar dann, wenn die Finanzgeschäfte Ihres Vaters durch einen Betreuer getätigt würden (z.B. bei Demenz), könnte es sein, dass der Betreuer im Einvernehmen mit der Pflegeleitung im Heim zu dem Entschluss gekommen ist, es wäre angebracht, für Ihren Vater sexuelle Dienstleistungen einzukaufen.

Sexualität und sexuelle Bedürfnisse enden nicht mit dem Eintritt ins Altenheim oder durch den Eintritt einer Demenzerkrankung. Bei demenzkranken Männern, die sexuell nicht befriedigt sind, kommt es immer wieder in Alten- und Pflegeheimen zu Übergriffen gegenüber Betreuerinnen oder Mitbewohnerinnen. Insofern liegt die Dienstleistung der Sexualassistentinnen sogar im Interesse der Heimleitung- sowohl in Hinsicht auf das Wohl des Patienten selbst wie auch des Personals und der Mitbewohner. Immerhin ist es heute wohl schon in jedem zweiten Alten- und Pflegeheim in Deutschland üblich, solche Besuche zuzulassen.
© M.Petery.

Sex im Altenheim-
Anmerkungen aus sexualtherapeutischer Sicht

Sexualität ist ein zentrales Bedürfnis des Menschen. Die freie Entfaltung der Sexualität gehört zu den menschlichen Grundrechten und ist entscheidend für die persönliche Lebensqualität. Das gilt für Menschen in jedem Lebensalter.

Insofern ist Sexualität im Altenheim grundsätzlich sehr zu begrüßen, solange sie niemanden belästigt oder schadet. Ein solcher Schaden ist durch die Prostituiertenbesuche bei Ihrem Vater nicht zu erkennen. Im Gegenteil- vielleicht fühlt sich Ihr Vater sogar besser, seitdem er eine Lösung für seine sexuelle Befriedigung gefunden hat.

Solange sich Ihr Vater nicht selbst über die Prostituierte beklagt, gibt es aus sexualtherapeutischer Sicht keinen Grund, hier einzuschreiten. Vielmehr ist es zu begrüßen, dass Ihr Vater hier für sich selbst zu sorgen weiss.

Sex im Altenheim-
Und wie gehen Sie selbst damit um?

Bleibt als letzte Frage, wie Sie selbst mit dem umgehen, was Sie über Ihren Vater erfahren haben.

Wenn Sie den Gedanken daran nicht recht aushalten können und Ihrem Vater nach wie vor den Sex am liebsten komplett verbieten möchten, dann könnte es sein, dass sich für Sie persönlich eine psychotherapeutische Beratung lohnen könnte. Mögliche Themen eines solchen Gespräches wären:

  • Warum ist es mir so wichtig, dass mein Vater im Altenheim keinen Sex mit einer Prostituierten hat?
  • Was bedeutet dieses Tun meines Vaters für mich?
  • Wo liegt der Berührungspunkt mit meiner eigenen Person?

Hier lohnt es sich möglicherweise, ggf. etwas genauer hinzusehen. Denn wahrscheinlich gibt es dann eine Möglichkeit, wie Sie persönlich durch die Klärung dieser Fragen Ihre eigene Lebensqualität verbessern können und Ihren Vater einfach den lassen können, der er nun einmal ist.

Gern stehe ich Ihnen für weitere Rückfragen zur Verfügung.

© M.Petery.
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery