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Probleme in der Partnerschaft RTL- Let´s talk about Sex- Radiointerviews

Klischees über Männer- Interview mit Dr. Michael Petery

Klischees über Männer

Hier der Radiomitschnitt.
Kleiner Hinweis: Dr. Petery ist Humanbiologe (Dr. rer. biol. hum.), nicht Psychologe.

 
Interview mit Dr. Michael Petery
in der Sendung Let´s talk about Sex bei Radio 89.0 RTL

Klischees über Männer: Was ist „typisch“ Mann? Was nervt, was stimmt, was nicht?

 

Beispiele für Klischees über Männer sind: Männer schauen alle Pornos. Männer gehen öfter fremd als Frauen. Männer wollen immer nur Sex. Männer sind unsensibel, hören nie zu.
Männer müssen immer stark sein, zeigen nie Schwäche.

Klischees über Männer: Wie entstehen solche Klischees?

Klischees haben aus psychologischer Sicht ursprünglich eine Schutzfunktion. Auf einer ganz primitiven Stufe gibt es Klischee-Verallgemeinerungen, die durchaus Sinn machen, z.B. der Satz: Alle Löwen sind gefährlich und fressen Menschen.

Es ist gut, wenn ich als Mensch einen solchen Satz verinnerlicht habe, sogar auch dann, wenn es rein theoretisch dressierte Löwen geben könnte, die zu Menschen nur nett sind. Wenn ich aber plötzlich auf der Straße einem Löwen begegne, ist es das beste: Ich denke sofort diesen Satz, habe Angst und laufe davon.
Ein solcher Klischee-Satz schützt mich davor, groß nachzudenken: Ich renne sofort los, wenn ich den Löwen sehe. Mein Handeln ist so sehr viel effektiver, als wenn ich erst darüber nachdenken muss, ob denn dieser konkrete Löwe eigentlich gefährlich ist oder nicht.

Psychologisch gesehen, haben solche Verallgemeinerungen also vor allem diesen einen Sinn: mich davor zu schützen, dass ich mich mit einem konkreten Einzelfall wirklich auseinandersetzen muss.
In der Partnerschaft sind solche Klischees absolutes Gift. In einer Partnerschaft geht es nämlich immer um einen konkreten Einzelfall, nämlich um den Menschen, mit dem ich in einer Beziehung lebe.
Wenn ich als Frau in mir drin einen Satz herumtrage wie „Alle Männer sind unsensibel und hören nie zu“, dann verbiete ich mich selber wahrzunehmen, dass möglicherweise gerade in diesem Moment genau der Mann vor mir sitzt, der mir zuhören will. Und ich gebe diesem Mann dann wegen meiner eigenen vorgefassten Meinung keine Chance, mir zuzuhören.

Wenn ich felsenfest von solchen Sätzen überzeugt bin wie z.B. „Alle Männer sind unsensibel und hören nie zu!“- dann brauche ich mich auch als Frau nicht mehr zu bemühen, einem Mann irgendetwas zu erklären. Es macht ja sowieso keinen Sinn.

Klischees über Männer: Ist das wirklich typisch Mann?

Klar, es gibt Unterschiede zwischen Mann und Frau. Experimente haben zum Beispiel gezeigt, dass Männer und Frauen eine unterschiedliche Farbwahrnehmung haben. Frauen sehen die Welt in kräftigeren Farben als Männer. Dieser Unterschied scheint tatsächlich genetisch gegeben zu sein und für alle Männer zu gelten.

Aber da hören dann auch schon die allgemein nachweisbaren psychologischen Unterschiede auf. Sätze wie „Männer schauen alle Pornos.“ oder „Männer wollen immer nur Sex.“ sind offensichtlich falsch, da es ja auch viele Gegenbeispiele gibt.

Klischees über Männer:
Was ist noch ok und was ist nicht zu tolerieren?

Es gibt keine allgemeine Regel, was eine Frau in einer Partnerschaft beim Mann durchgehen lassen soll und was nicht.

Die entscheidende Frage ist vielmehr: Welches konkrete Verhalten dieses einen Mannes stört mich als seine Partnerin so sehr, dass es die Partnerschaft bedroht?

Und das kann von Fall zu Fall höchst unterschiedlich sein. Bei Paartherapien habe ich da in meiner eigenen Praxis schon die unterschiedlichsten Dinge erlebt. Eine Klientin störte sich daran, dass ihr Mann oft am Wochenende ohne sie allein im Wald Stunden lang spazieren ging (wobei sie selber keine Lust hatte mitzukommen)- eine andere Frau wiederum fand es unerträglich, dass sie die Wohnung niemals für sich allein haben konnte, weil ihr Mann überhaupt kein Hobby hatte, das ihn jemals nach draußen gebracht hätte.

Wenn ich als Frau also etwas habe, was für mich absolut nicht OK ist, muss ich das dem Mann sagen. Viele Frauen gehen wie selbstverständlich davon aus, dass ihre Männer wissen, was sie stört- und in der Paartherapie sind dann oft beide überrascht nach dem Motto: „Ach, das stört dich an mir?“ „Ja klar, das hättest du doch schon längst merken müssen.“ „Aber ich habe da gar nichts gemerkt, weil du es mir nie gesagt hast.“

Erst wenn solche störenden Punkte offen ausgesprochen sind, ist es möglich, gemeinsam Lösungen für das Problem zu finden.

Klischees über Männer:
Kann man einen Mann noch „erziehen“?

Den anderen zu erziehen, funktioniert in der Partnerschaft ganz bestimmt nicht. Erziehen kann man nur Kinder.

In der Partnerschaft bedeutet Erziehung, dass derjenige, der in der Erzieherrolle ist, den anderen nicht mehr gleichrangig als Erwachsenen wahrnimmt. Und damit ist die Partnerschaft auf Augenhöhe am Ende. Was danach bestenfalls och übrig bleibt, ist wechselseitige Abhängigkeit. Das hat aber mit Partnerschaft nicht mehr viel zu tun.

Übrigens gibt es das in der Praxis gar nicht so selten, dass ein Partner den anderen auf solche Weise entmündigt- aber das ist immer das Ende der Partnerschaft im eigentlichen Sinne und funktioniert auf Dauer nur, wenn einer oder beide Partner an einer psychischen Störung leiden.

Wenn mich also etwas an meinem Partner stört, dann sind Erziehungsmaßnahmen wie Belohnung oder Bestrafen der falsche Weg. Helfen kann da nur ein gemeinsames Gespräch über wechselseitige Bedürfnisse. Und wenn die Situation schon so festgefahren ist, dass das Gespräch nicht mehr möglich ist, dann hilft nur noch der Weg zum Paartherapeuten.

Klischees über Männer:
Wie können Frauen lernen, damit zu leben?

Es kommt auf die Gesamtbilanz an. Wenn ich insgesamt mit meinem Partner zufrieden bin, kann ich ihm auch das eine oder andere nachsehen.

Und wenn die Gesamtbilanz stimmt, hat das auch für die Frau Vorteile. Wenn er sich ein paar Dinge herausnehmen darf, dann gibt es auch für die Frau Bereiche, wo sie sich von ihm nicht hereinreden lassen muss.

Und das ist das Geheimnis einer guten Partnerschaft: dass es einen großen gemeinsamen Bereich gibt, aber auch für jeden Partner einzeln genügend Freiräume, wo jeder für sich er oder sie selbst sein kann. Und dieses Wechselspiel von Gemeinsamkeit und Für-Sich-Sein macht eine Partnerschaft auch auf Dauer lebendig und spannend.

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Wenn Sie dazu Fragen haben, können Sie sich gern an mich wenden.

Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

PS:
Vgl. auch das Interview Klischees über Frauen

 

Von mpetery

Zuletzt aktualisiert am 19.09.2017.

Ein paar Worte zu meiner Person:
Mein Name ist Michael Petery, bin verheiratet und arbeite in Hildburghausen (30km nordwestlich von Coburg) in meiner Praxis für Psychotherapie gemäß Heilpraktikergesetz.

Studiert habe ich in Tübingen, Paris und Berlin. Bis 2014 war ich am Universitätsklinikum in München-Großhadern tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Palliativmedizin und der Professur für Spiritual Care bei Prof. Dr. Eckhard Frick (Pychiatrie) und Prof. Dr. Traugott Roser (ev. Theologie). Daneben habe ich meine Klienten in eigener Praxis in München-Schwabing betreut.

Leitfiguren für meine therapeutische Arbeit sind Carl Rogers (clientenzentrierte Gesprächstherapie), Fritz Perls (Gestalt-Therapie) und Irvin D. Yalom.

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