Verliebt in den Lehrer- wenn´s nicht beim Unterrichten bleibt
Mein Name ist Emily, ich bin jetzt gerade 18 geworden und bin begeisterte Musikerin (Geige und Gesang).
Seit letztem Jahr habe ich bei einem neuen Musiklehrer Privatunterricht, der mich für die Aufnahmeprüfung aufs Konservatorium vorbereiten soll.
Am Anfang war ich total glücklich, dass er mich bei sich aufgenommen hat, un der Unterricht hat total viel Spaß gemacht. Manfred (Name geändert) hat mir gleich von Anfang an das Du angeboten, obwohl er bestimmt 30 Jahre älter ist als ich. Er gibt sich mit mir riesig Mühe, und ich habe bei ihm in ein paar Monaten mehr gelernt als die ganze letzten Jahre zuvor. Er ist eben ein richtiger Profi, der auch selbst Konzerte gibt und weiß, wie man technisch vorankommt.
Was mir durchaus gefallen hat, dass er mir immer sehr nett Komplimente macht, mir auch gern über die Schulter streicht, wenn ich eine Passage richtig gut gemacht habe, und mich zum Abschied nach der Stunde auch mal in den Arm nimmt. In der letzten Zeit ist diese Körperlichkeit noch deutlich mehr geworden: Es ist schon geradezu zur Standardübung geworden, dass ich ein Solo mit meiner Violine im Stehen spiele und er mir dabei, um mich zu stützen, wie er sagt, von hinten her mit seinen Armen um den Bauch herum umfasst.
Das fühlt sich auch sehr gut an und hilft mir sicher auch- aber ich habe gleich beim ersten Mal gemerkt, dass da noch mehr im Spiel zwischen uns ist als nur die Musik. Manchmal führt er mir die Finger, um eine schwierige Passage zu „erfühlen“ und hat sein Gesicht so nah beim meinem, dass ich denke, er würde mich jetzt jeden Moment küssen. Einmal hat er sogar gesagt, ich würde beim Musizieren wirklich aussehen wie ein Engel- und am liebsten würde er mir ja in solchen Situationen auf den Mund küssen. Aber er wüsste ja, dass sich das nicht gehört. Vielleicht dürfte er mir ja irgendwann mal einen Kuss auf die Schulter drücken…
Das Heftigste, was er mal zu mir gesagt hat, war, als wir das Brahms-Violinkonzert eingeübt haben. Da meinte er, er hätte noch nie so starke Gefühle wie beim Musizieren mit mir erlebt, außer in den allerstärksten Momenten des Sex. Ich wäre auf jeden Fall eine ganz unglaublich emotional aufregende Frau.
Eigentlich finde ich das total süß von ihm, dass er mir das alles so offen erzählt. Manchmal denke ich, am liebsten würde ich einfach den Anfang machen und ihm einen Kuss auf die Lippen geben. Dann aber mache ich mir doch Gedanken, ob das richtig ist. Immerhin weiß ich, dass Manfred verheiratet ist und sogar zwei Kinder hat. Ich habe ihn sogar mal nach seiner Frau gefragt: da meinte er nur, es würde in seiner Ehe nicht mehr viel laufen und eigentlich wären sie so gut wie getrennt.
Seitdem geht mir der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf: Ob eine Beziehung von uns zweien eine Chance haben kann? Irgendwie passen wir toll zusammen. Aber Manfred ist halt wirklich sehr viel älter als ich…
Emily G. (Name geändert)
Verliebt in den Lehrer-
Erotik an der falschen Stelle…
Hallo Emily,
…verliebt in den Lehrer: die Geschichte, die Sie erzählen, passiert in dieser oder ähnlicher Form immer wieder: die Begegnung einer Schülerin mit einem begeisterten, engagierten Lehrer, der nach und nach immer mehr sexuelles Interesse zeigt und Grenzen überschreitet, die mit dem Unterricht nichts zu tun haben.
Dazu passt Ihr eigenes Gefühl der Unsicherheit, wie Sie damit umgehen sollen, das zwischen großer Verliebtheit schwankt und dem Gedanken, das das Ganze so eigentlich zu gar keiner richtigen Beziehung führen kann.
Verliebt in den Lehrer-
oder Austesten Ihrer Grenzen?
Ihre Schilderung deutet darauf hin, dass es weniger Sie selbst gewesen sind, die sich spontan in Ihren Lehrer verliebt hat. Vielmehr sieht es so aus, dass Ihr Lehrer sehr bewusst und geradezu planmäßig Ihrer beider Beziehung immer weiter erotisiert hat. Das hat mit netten Komplimenten begonnen und ging dann mit körperlichen Berührungen weiter. Jeder neue Schritt ging jeweils von ihm aus: Offensichtlich testet er aus, ob er jeweils noch einen Schritt weiter gehen kann.
Sie haben ihm keinerlei Grenze gesetzt: Jetzt traut er sich bereits offen über Küsse und orgasmusartige Gefühle zu sprechen. Dabei ist er geschickt genug, sich selbst als einen Mann darzustellen, der von sich aus die Schranken einhält. Er bringt die Themen auf: Küssen und Sex. Aber er hofft, dass Sie irgendwann den ersten Schritt zu „richtiger“ Sexualität machen (Mundkuss)- und dass er sich dann sagen kann, die Initiative wäre von Ihnen ausgegangen.
Solche Erotik hat in einer Lehrer-Schüler-Beziehung definitiv nichts verloren. Und das gilt nicht nur an der gewöhnlichen Schule, sondern auch beim Musikunterricht, beim Sportunterricht oder in der Fahrschule. Ihr Lehrer hat den Auftrag, Sie zu unterrichten und wird dafür auch bezahlt: von Ihrer Schule oder von Ihren Eltern. Diese besondere Vertrauensverhältnis ist zerstört, wenn ein Lehrer es dazu missbraucht, einer Schülerin (oder einem Schüler) sexuelle Avancen zu machen.
Verliebt in den Lehrer-
Missbrauch eines Vertrauensverhältnisses
Da Sie bereits über 18 Jahre alt sind, liegt in Ihrem Fall kein Strafbestand nach § 174 Abs. 1 S.2 vor (sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen). Trotzdem sollten Sie sich selbst deutlich machen, dass Ihr Lehrer hier Grenzen verletzt hat, die mit seinem Auftrag nicht gedeckt waren.
Er nutzt das Vertrauensverhältnis Lehrer-Schülerin dazu aus, seine eigenen sexuellen Wünsche auszuleben. Möglicherweise reichen diese Wünsche gar nicht bis hin zum konkreten Geschlechtsakt; möglicherweise genügen ihm bereits genau diese Formen der Berührung und der Verbalerotik, verbunden mit dem Wissen, auch in Ihnen erotische Gefühle auszulösen.
Viele junge Frauen, denen so etwas widerfährt, glauben, selbst einen Anteil an dieser Erotisierung des Verhältnisses zum Lehrer zu haben. Möglicherweise haben Sie ja früher auch selbst bereits für andere Lehrer geschwärmt, ohne das sich da irgendetwas in diese Richtung getan hat. Aber genau da liegt der Unterschied: Ihr Musiklehrer ist, wenn es denn solche Anfangsverliebtheit von Ihrer Seite aus gab, auf diese angesprungen und hat dann seine eigenen Wünsche auch noch draufgesattelt.
Möglicherweise kann es Ihnen helfen, Kontakt auch zu anderen Schülerinnen Ihres Lehrers aufzunehmen. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Sie nicht die einzige sind, bei der sich Ihr Lehrer so verhält. Und dieser gemeinsame Austausch könnte Ihnen helfen, einen klareren Blick auf Ihren Lehrer zu gewinnen.
Auf jeden Fall ist sein Verhalten ein Zeichen für große Unprofessionalität- und allein das ist ein guter Grund, sich auf die Suche nach einem anderen Musiklehrer oder einer anderen Musiklehrerin zu machen.
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© M.Petery.
Wenn Sie möchten, können Sie sich mit weiteren Fragen gern an mich wenden.
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery
Vgl. auch meinen Beitrag
Missbrauch und Trauma:psychische Folgen von Kindesmissbrauch