Ich glaube, dass mein Mann mit einer Arbeitskollegin fremdgeht. Angefangen hat das ganze vor etwa 5 Monaten, nach einer Kongressreise. Seitdem hat er ein zweites Handy, das er immer mit sich herumträgt, und er muss immer wieder plötzlich Überstunden machen, ohne dass er erzählen kann, was er eigentlich konkret macht.
Ich habe auch mal während einer „Überstunde“ bei ihm am Arbeitsplatz angerufen, und er war gar nicht im Büro. Ich weiß überhaupt nicht, was ich machen soll. Eigentlich liebe ich meinen Mann und möchte ihn behalten. Andererseits wäre ich so wütend auf ihn, dass ich nie wieder in die Augen sehen könnte. Besonders deswegen, weil er mir nicht gleich die Wahrheit gesagt hat.
Wenn das stimmt, dass er mich betrügt, sollte ich mich dann am besten sofort von ihm trennen?
Heike B. (Name geändert)
Inhalt
Fremdgehen- wie stelle ich ihn zur Rede?
Hallo Heike,
was Sie schreiben, sind tatsächlich typische Anzeichen für ein mögliches Fremdgehen Ihres Partners.
Allerdings haben Sie erst dann Gewißheit, wenn Sie Ihren Mann ganz konkret mit Ihrer Vermutung konfrontiert haben. Wie könnte es ausgehen, wenn Sie ihn zur Rede stellen?
Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Möglichkeit: Er gibt die Affäre zu. Und was dann?
Es wäre völlig normal, wenn Sie ihn im Affekt erst einmal mit allen Schimpfwörtern der Welt überschütten und ihn aus der Wohnung hinauswerfen. An die Möglichkeit einer solchen „sofortigen Trennung“ haben Sie ja bereits selber gedacht.
Allerdings macht eine solche „sofortige Trennung“ es unmöglich, dass er seine Sicht der Dinge überhaupt vorträgt. Denn die meisten Männer, die fremdgehen, wollen ihre Frau nicht verlieren. Falls Ihr Mann sie über seine Affäre belügt, dann höchstwahrscheinlich deswegen, weil er Angst hat, Sie zu verlieren, sobald er Ihnen die Wahrheit sagt. Auch wenn Ihr Mann Sie betrügt, ist ihm Ihre Beziehung offenbar immer noch wertvoll.
Und solange Ihnen beiden Ihre Beziehung etwas bedeutet, ist es prinzipiell möglich, dass Sie auch wieder zusammenfinden.
1. Möglichkeit: Er gibt die Affäre nicht zu. Und was dann?
Sie müssen aber auch damit rechnen, dass Ihr Mann sagt, er hätte sie nicht betrogen.
Auch wenn es nicht wahrscheinlich ist: Vielleicht kann Ihr Mann diese Veränderungen in seinem Verhalten und das neue Handy irgendwie erklären.
Aber dann hätten Sie beide sofort neue Probleme: Ihr Mann müsste mit dem Gefühl fertigwerden, dass Sie ihm nicht trauen. Und auch Sie wären von seinen Erklärungen wahrscheinlich nicht ganz überzeugt.
Warum ein Therapeut jetzt hilfreich sein kann
Die Situation ist also so kompliziert, dass es sich lohnt, auch schon vor einer solchen direkten Aussprache therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Statt Ihren Mann direkt zur Rede zu stellen, könnten Sie sagen: „Ich habe das Gefühl, dass es gut wäre, wenn wir gemeinsam einen Therapeuten aufsuchen würden. Es gibt da ein paar Punkte, wo ich glaube, dass uns beiden fachlicher Rat weiterhelfen kann.“ Machen Sie ihm unmissverständlich deutlich, dass das Ihr Wunsch ist.
Höchstwahrscheinlich wird Ihr Mann darauf eingehen, vielleicht ist er sogar froh, wenn Sie die Sache in die Hand nehmen und er aus seiner eigenen verfahrenen Situation wieder freikommt. Denn wenn er tatsächlich Sie über eine Affäre belügt, dann geht es auch ihm vermutlich psychisch nicht besonders gut.
Fremdgehen- Eine Reihe wichtiger Fragen
Gemeinsam mit Ihrem Therapeuten gibt es dann eine ganze Reihe wichtiger Fragen zu besprechen:
- Was ist tatsächlich dran an der Affäre Ihres Mannes? Wie ist es dazu gekommen und warum hat er Ihnen nicht von selbst die Wahrheit gesagt?
- Welchen Wert hat Ihre gemeinsame Beziehung für Ihren Mann und für Sie selbst? Vor der Affäre und jetzt?
- Gibt es Möglichkeiten, wie Sie das zerbrochene Vertrauen wiederherstellen können?
- Können Sie Ihrem Mann die Affäre verzeihen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen?
- Wenn Sie sich trennen wollen: Wie organisieren Sie Ihre Trennung? Ist die Scheidung der richtige Weg oder genügt zuächst eine vorübergehende Trennung? Was geschieht mit Ihrem gemeinsamen Besitz? Wie soll es ggf. mit Ihren Kindern weitergehen?
Fremdgehen- Chance für einen Neuanfang?
Fazit: Die sofortige Trennung ist für Sie beide wahrscheinlich nicht die beste Lösung, weil dadurch andere Möglichkeiten nicht mehr geprüft werden können, die für Sie beide deutlich besser sein können.
Natürlich ist es sicher, dass nach einer Affäre in Ihrer Beziehung vieles nicht mehr so sein kann wie zuvor. Aber das ist ja auch gut so, dass sich etwas verändert hat. Denn jetzt gibt es die Chance, dass Sie beide nach einiger Zeit der gemeinsamen therapeutischen Arbeit wieder neu zueinander finden.
Ihr Mann wird möglicherweise gelernt haben, dass er mit Ihnen über seine eigenen intimen Probleme und Sehnsüchte sehr viel offener reden kann, als er das je geglaubt hätte.
Und Sie selbst werden möglicherweise herausfinden, dass Sie Ihren Mann auch trotz der Affäre lieben und ihm nach der gemeinsamen Therapie wieder in einem Maß vertrauen können, wie es zuvor in Ihrer Ehe gar nicht möglich gewesen ist.
Auf Ihrem Weg zu einer Lösung, mit der Sie selbst rundum zufrieden sein können, wünsche ich Ihnen viel Erfolg!
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery
Eine Antwort auf „Nach Fremdgehen sofortige Trennung?“
Sehr hilfreicher Artikel! Natürlich sollte man auch große Fehler verzeihen können, das muss man allerdings oft lernen und es erfordert viel Geduld. Ein Vertrauensbruch ist kein Kinkerlitzchen, allerdings kann man alles ausdiskutieren und wenn man erst einmal Beweggründe und Motive kennt, so kann man an der Situation arbeiten. Ich persönlich habe in dieser Phase angefangen, Horoskope zu lesen. Das hat mir sehr geholfen, den Blick trotz aller Traurigkeit auf die positiven Dinge zu richten, die mich in der Zukunft erwarten, sofern ich die Augen dafür offen halte. Auch wenn mein Freund und ich den Ausrutscher überwunden haben und wieder zueinander gefunden haben, so bin ich bei meinen Horoskopen geblieben und ernte oftmals einen kleinen Lacher dafür. Mir ist das aber egal, denn ich weiß, dass es mir persönlich eben hilft, optimistischer durchs Leben zu gehen. Liebe Grüße, Sophie