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Ist Onanie schädlich? Der Mythos der Selbstbefleckung

Ist Onanie schädlich? Nein, entgegen all den medizinischen Märchen des 18. und 19. Jahrhunderts, die manchmal noch heute forterzählt werden.

Onanie verursacht keine körperlichen Schäden

Physiologisch macht es keinen Unterschied, wie ein Orgasmus ausgelöst wird, weder bei Männern noch bei Frauen. Ein „selbst erzeugter“ Orgasmus hat auf biochemischer Ebene die gleiche Wirkung wie ein Orgasmus beim Koitus zwischen zwei Sexualpartnern.. Die Intensität des Orgasmus hat mehr mit der Dauer des Vorspiels zu tun als damit, ob der Orgasmus mit oder ohne Koitus geschieht. Einige neuere Studien lassen beim Mann sogar vermuten, dass regelmäßige Onanie Prostata-Erkrankungen vorzubeugen hilft.

Onanie- das Erbe der falschen Vorstellungen

Zur Frage „Ist Onanie schädlich?“ erschien 1712 in England das anonyme Pamphlet „Onania: or, the Heinous Sin of Self-Pollution“ („Onanie oder die abscheuliche Sünde der Selbstbeschmutzung“), in dem erstmals behauptet wurde, dass exzessive sexuelle Selbstbefriedigung Ursache zahlreicher Krankheiten wäre, wie z.B. Pocken und Tuberkulose.

Das Buch wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und wurde in ganz Europa viel gelesen. Es folgte eine ganze Flut von Büchern, welche die Onanie als „Laster der Selbstbefleckung“ anprangerten. Erstaunlicherweise hielten sich die in dem Buch vertretenen Thesen entgegen aller medizinischer Evidenz bis ins 20. Jahrhundert, und das auch bei Ärzten, Lehrern und Erziehern.
© M.Petery.
Und ebenfalls noch bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden immer wieder neue Fesseleinrichtungen für Kinder und Jugendliche patentiert, die gegen dieses Laster schützen sollten. Diese Vorstellungen wirken bis heute bei vielen Menschen fort, da sich wegen der gesellschaftlichen Tabuisierung nur wenige Lehrer trauen, öffentlich zu sagen, dass Onanie in keiner Weise schädlich körperlich ist.

Ist Onanie schädlich als ein Suchtpotential?

Ist Onanie schädlich? Eine andere weit verbreitete Vorstellung sieht die Gefahr bei der Onanie darin, dass sie exzessiv betrieben wird und nach und nach wie bei einer Suchterkrankung das ganze Leben eines Menschen bestimmt. Auch hier liegt eine falsche Vorstellung zugrunde. Ein gesunder Mensch hat sexuelle Bedürfnisse- krank ist er dann, wenn er sie nicht hat. (Ebenso wie Hunger und Durst natürliche Bedürfnisse sind und kein Anzeichen von Krankheit!)

Wenn ein Mensch sein sexuelles Bedürfnis befriedigen möchte, ist das also nicht krank, sondern ein Zeichen körperlicher und psychischer Gesundheit.

Anders als bei Drogen oder Alkohol kann sich bei Onanie auch keine Sucht im Sinne stofflicher Abhängigkeit entwickeln: genauso wenig, wie man süchtig nach dem Trinken nichtalkoholischer Getränke werden kann.

Bei der Onanie gilt dasselbe wie bei Hunger oder Durst: Der Körper selbst zeigt an, wann das Bedürfnis da ist- und sobald das Bedürfnis befriedigt ist, läßt es auch wieder nach. Wann und wie häufig ein Mensch sexuelle Bedürfnisse hat, ist individuell höchst unterschiedlich- und kann jeden Tag wieder anders aussehen.

Onanie- wann hat das Thema Bedeutung für die Psychotherapie?

Für Onanie gilt dasselbe wie für alle anderen menschlichen Handlungen: Ein Krankheitswert liegt nur dann vor, wenn das Individuum selbst bzw. dessen Umwelt unter der betreffenden Handlung leidet. Solange Onanieren Spass macht, ist medizinisch und psychotherapeutisch die Welt in Ordnung.

In der therapeutischen Praxis gibt es allerdings gar nicht so selten Klienten und Klientinnen, denen ihr eigener Umgang mit Onanie Schwierigkeiten bereitet. Die Frage „Ist Onanie schädlich?“ kann sich als Zwangsgedanke festsetzen und einen Menschen viel Lebensfreude kosten.Quälend können auch falsche medizinische Vorstellungen sein (siehe oben) wie die Vermutung, sich selbst mit Onanie körperlich zu schaden.

Ebenfalls relativ häufig kann sich Onanie mit einem psychischen Zwang verbinden: Onanie ist dann nicht mehr lustvolle Selbstbefriedigung, sondern eine als peinlich empfundene Handlung, die ausgeführt werden muss. in extremen Fällen kann das bis hin zum Zwang zur Onanie in der Öffentlichkeit führen- mit allen daraus resultierenden strafrechtlichen Konsequenzen (Strafgesetzbuch § 183 Exhibitionistische Handlungen).

Ist Onanie schädlich? Schuldgefühle in der Partnerschaft

Auch kommt in vielen Partnerschaften vor, dass einer der Partner seine Lust an der Onanie vor dem anderen verbirgt- und wegen der Heimlichkeit seiner Selbstbefriedigung Schuldgefühle entwickelt. Diese können noch verstärkt werden, wenn in einer Partnerschaft ein Partner den anderen beim Onanieren „ertappt“ und ihm deswegen Vorwürfe macht.

Im Rahmen einer Sexualtherapie wäre es wichtig nachzuprüfen, welches Bild vom Umgang mit der Sexualität beide Partner haben, ob Selbstbefriedigung eines oder beider Partner in der Beziehung einen Platz haben kann oder ob Sexualität tatsächlich nur im Kontext der Gemeinsamkeit stattfinden darf.

Da ein Gespräch über diese Themen in vielen Partnerschaften oft nicht ganz einfach ist, erscheint es sinnvoll, sich hier psychotherapeutische Hilfe zu suchen. Nachdem eine lustvoll ausgeübte Sexualität ganz entscheidend zur Lebensqualität eines Menschen beiträgt, ist es unbedingt sinnvoll, Probleme im Gebiet Sexualität nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern aktiv an einer Lösung zu arbeiten. Wenn Sie möchten, stehe ich Ihnen hier gern für eine weitere Beratung zur Verfügung.

 

Von mpetery

Zuletzt aktualisiert am 19.09.2017.

Ein paar Worte zu meiner Person:
Mein Name ist Michael Petery, bin verheiratet und arbeite in Hildburghausen (30km nordwestlich von Coburg) in meiner Praxis für Psychotherapie gemäß Heilpraktikergesetz.

Studiert habe ich in Tübingen, Paris und Berlin. Bis 2014 war ich am Universitätsklinikum in München-Großhadern tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Palliativmedizin und der Professur für Spiritual Care bei Prof. Dr. Eckhard Frick (Pychiatrie) und Prof. Dr. Traugott Roser (ev. Theologie). Daneben habe ich meine Klienten in eigener Praxis in München-Schwabing betreut.

Leitfiguren für meine therapeutische Arbeit sind Carl Rogers (clientenzentrierte Gesprächstherapie), Fritz Perls (Gestalt-Therapie) und Irvin D. Yalom.

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