Ursachen für Erektionsprobleme- ein sehr vielfältiges Thema, das Medizin und Psychotherapie gleichermaßen betrifft…
de.123rf.com/photo_23486780 Rommel Canlas
Inhalt
Psychische Ursachen für Erektionsprobleme
Ursachen für Erektionsprobleme- es gibt viele verschiedene Faktoren, die mit hineinspielen. Das reicht von rein körperlichen und medizinischen Ursachen über Stress und äußere Belastungen bis hin zu Ängsten, Depressionen und Folgen traumatischer Erlebnisse wie etwa sexuellem Missbrauch.
Es ist also sehr wichtig, nicht gleich sofort mit irgendeinem Therapieverfahren zu starten (wie z.B. der häufig empfohlenen Squeezing–Technik), sondern zunächst einmal eine gründliche Diagnostik vorzunehmen, welche Ursachen für die Erektionsprobleme eigentlich verantwortlich sind.
Und je nachdem, welche Ursache zugrunde liegt, kann die Therapie sehr unterschiedlich aussehen: Bei Depressionen ist Verhaltenstherapie angesagt, die insgesamt zu einer stärkeren Aktivierung des Klienten führt (und möglicherweise auch die Verschreibung eines Antidepressivums durch einen Arzt). Bei einem zugrunde liegenden Trauma dagegen kann nur Psychotherapie helfen- weder körperliche Übungen noch Medikamente werden hier groß etwas bewirken.
Körperliche Ursachen und Diagnostik
Bluthochdruck, Cholesterin, Testosteronmangel, Diabetes- all das können medizinische Gründe sein, warum ein Mann Erektionsprobleme hat. Deshalb ist der erste Schritt immer der Gang zum Arzt (Urologe), um mögliche körperliche Ursachen abzuklären.
Denn die beste Psychotherapie nützt nichts, wenn z.B. Bluthochdruck die Ursache für die Beschwerden ist. Da ist es wichtig, die entsprechende Grunderkrankung zu behandeln- und wenn diese Erkrankung behandelt ist, nehmen in der Regel auch de Erektionsprobleme ab.
Das Ergebnis einer medizinischen Beratung kann sein, dass ein bestimmtes Medikament wie etwa ein PDE-5-Hemmer (z.B. Viagra) zur Behandlung der Erektionsprobleme eingesetzt wird. Viagra ist aber kein Wundermittel, dass aus jedem Mann einen Casanova macht- Viagra kann helfen, um die Blutzufuhr des Schwellkörpers zu erleichtern und damit die Erektion zu stärken.
Ein solches Medikament bringt aber nur dann etwas, wenn eine körperliche Störung dieser Blutzufuhr tatsächlich die Ursache für die Probleme ist. Bei allen anderen Ursachen hilft Viagra nicht- oder nur durch den Placebo-Effekt- eine rein psychische Wirkung: Allein dadurch, dass man glaubt, eine Wunderpille im Bauch zu haben, wird das Selbstvertrauen größer und dadurch auch die Erektion einfacher.
Der Gang zum Arzt kann sich aber auch aus umgekehrten Grunde lohnen: Es gibt zahlreiche Medikamente, die als Nebenwirkung Ursache für Erektionsprobleme sein können (vgl. dazu den Fachartikel im Ärzteblatt „Medikamente als Verursacher sexueller Dysfunktionen“). Hier kann der Arzt eventuell auf andere Medikamente umstellen, die diese Nebenwirkung nicht haben.
Die psychologische Diagnostik
Wenn körperliche Ursachen für Erektionsprobleme durch einen Facharzt ausgeschlossen bzw. geklärt sind, beginnt die Aufgabe für die Psychotherapie.
Das kann eine entsprechende psychotherapeutische Begleitung sein, wenn die körperlichen Ursachen nicht vollständig geheilt werden können (z.B. in der Nachsorge von Prostata-Operationen). Da geht es dann vor allem darum, Wege zu finden, wie sich trotz möglicherweise gegebenen Einschränkungen trotzdem das Maximum an positiven sexuellen Erlebnissen erreichen läßt.
Weitaus häufiger wird allerdings sein, dass der Arzt überhaupt keine körperliche Ursache für die Erektionsprobleme findet. In diesem Fall ist die Aufgabe des Therapeuten bzw. der Therapeutin, im Rahmen einer psychologischen Diagnostik mögliche Ursachen zu finden und dann aufgrund dieser Diagnostik den geeigneten Therapieplan gemeinsam mit dem Klienten zu entwickeln.
Im Rahmen des Krankheitenkatalogs der Weltgesundheitsorganisation ICD-10 kommen vor allem folgende psychische Störungsbilder als Ursache für Erektionsstörungen in Frage:
- F10: Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol
- F11: Störungen durch Cannabinoide
- F17.1: Störungen durch Nikotin
- F32: Depressive Episode
- F34.1 Dysthymie
- F 40: Phobische Störung (Angststörungen)
- F42: Zwangsstörung
- F43: Reaktionen auf schwere Belastungen (z.B. sexuelle Missbrauchserlebnisse)
- F45: Somatoforme Störungen
- F52: Sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch organische Störung oder Krankheit
- F52.0 Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen
- F52.1: Sexuelle Aversion und mangelnde sexuelle Befriedigung
- F52.2: Versagen genitaler Reaktionen inkl. psychogene Impotenz
- F52.3: Orgasmusstörung
- F52.4: Ejaculatio Praecox
- F52.6: Nichtorganische Dyspareunie (nur psychich erklärbare Schmerzen beim Sexualverkehr)
Bei diesem Katalog ist allerdings zu bedenken, dass die unter F10 bis F45 beschriebenen Störungen in der Diagnose vorrangig zu berücksichtigen sind, bevor eine rein deskriptive Diagnose nach F52 vergeben werden kann.
Angst- und Zwangsstörungenals grund für Erketionsprobleme
Sexuelle Ängste und Zwänge gehören zu den häufigen psychischen Ursachen für Erektionsprobleme.
Ein Klassiker ist die sexuelle Versagensangst. Der Mann hat bestimmte Erwartungen an seine sexuelle Leistungsfähigkeit, die sehr hoch oder vielleicht sogar völlig unrealistisch sind.
Oft stehen hier Vorstellungen vom sexuellen Normen im Hintergrund, die völlig unrealistisch sind und eher der Fantasiewelt der Pornoindustrie entsprechen als der Wirklichkeit. Immer wieder gilt es im Rahmen einer Sexualtherapie deutlich zu machen, dass guter Sex nicht notwendigerweise voraussetzt, dass Mann und Frau möglichst zeitgleich im Koitus einen Orgasmus bekommen.
Wenn das die Messlatte für den Sex ist, dann ist der Misserfolg geradezu vorprogrammiert: denn es ist völlig normal, wenn beim sexuellen Zusammenspiel vielleicht nur einer beiden der Partner einen Orgasmus haben möchte. Und es es auch normal, wenn beim sexuellen Zusammenspiel einfach nur die Freude an der gemeinsamen sexuellen Aktivität im Vordergrund steht- ohne dass bestimmte Zielvorgaben erreicht werden müssen.
Gerade solche Zielvorgaben können sich zu regelrechten Zwangsstörungen auswachsen. Kaum beginnt der Sex, beginnen dann auch die Zwangsgedanken im Kopf. Statt den Sex zu genießen, drängen sich Gedanken in den Kopf, die so oder so ähnlich aussehen können:
- Schaffe ich das diesmal, so zum Orgasmus zu kommen, wie es sein sollte? Nicht zu schnell, aber bitte auch nicht zu langsam…
- Was denkt meine Partnerin, wenn ich zu schnell komme oder gar nicht? Findet Sie mich dann minderwertig und wird mich verlassen?
- Bestimmt gab es bei meiner Partnerin andere Männer, die sie viel besser befriedigen konnten! Vielleicht sagt sie nur aus Mitleid nicht, wie sehr sie von mir enttäuscht ist…
- Bin ich eigentlich wirklich genügend erregt, dass ich zum Orgasmus kommen werde? Oder merke ich schon irgendwelche Anzeichen, dass meine Erregung schon wieder am Abklingen ist?
- Oder, sozusagen auf der Metaebene: Kann es sein, dass jetzt schon wieder diese Gedanken anfangen, die mich beim Sex ausbremsen? Bin ich wirklich bei der Sache oder kommt da schon wieder diese Angst, die mich ausbremst?
- Bin ich eigentlich ganz normal, weil es bei mir immer wieder diese Orgasmusprobleme gibt? Kann es sein, dass ich vielleicht eigentlich homosexuell bin? (Anm: das ist ein Klassiker negativer Gedanken beim Sex, der mit Homosexualität nichts zu tun hat, vgl. meinen Artikel über HOCD)
Sobald solche Gedanken das Ruder im Hirn übernehmen, kann der Sex keinen Spass mehr machen- die Sexualhormone werden ausgebremst, die Erregung geht zu Ende. Mit solchen Gedanken habe ich das Hier und Jetzt des sexuellen Zusammenspiels bereits innerlich verlassen- und das, obwohl der eigentliche Sex mit der Partnerin noch am Laufen ist.
Neben solchen Zwangsgedanken, die aus sexuellen Normen und unrealistischen Zielvorgaben herrühren, können natürlich auch frühere traumatische Erlebnisse sich negativ auf die Freude an der Sexualität auswirken, insbesondere Missbrauchserfahrungen. Das kann dazu führen, dass ich auch im Rahmen der Sexualität mit einem Menschen, den ich eigentlich liebe, in bestimmten Punkten immer wieder an stark angstbesetzte Erlebnisse erinnert werde- und damit in die alte Angst abgleite. Und Angst ist der Lustkiller schlechthin.
Dabei muss ein solches traumatisches Erlebnis von außen nicht unbedingt sehr dramatisch aussehen. Es reichen auch kleinere Vorfälle, um einen Menschen auf dem Gebiet der Sexualität grundlegend zu verunsichern, z.B.:
- Hänselei und Verspottung als „Schwuchtel“ in der Schulzeit durch Mitschüler
- Äußerungen im Elternhaus (z.B.: „Aus dir wird nie ein richtiger Mann!“)
- demütigende Bemerkungen früherer Partnerinnen (z.B. „Mit einem Schwanz wie deinem wirst du niemals eine Frau befriedigen…“)
Immer dann, wenn Zwangs- oder Angststörungen die eigene Freude an der Sexualität beeinträchtigen, ist es unbedingt sinnvoll, sich im Rahmen einer Sexualtherapie Hilfe und Unterstützung zu holen.
Depressionen als psychische Ursache
Ebenfalls eine sehr häufige Ursache für Erektionsprobleme sind depressive Episoden, die den Betroffenen oft selbst noch nicht aufgefallen sind.
Typische Grundsymptome sind Antriebsarmut, Interessenverlust und depressive, pessimistische Stimmung. Aber diese Grundsymptome müssen nicht zwingend gleichzeitig und klar erkennbar auftreten. Es kann auch sein, dass bei einer Depression körperliche Symptome wie etwa Erektionsprobleme in den Vordergrund treten und den Schwerpunkt der subjektiven Beschwerden bilden.
Weil eine Depression oft nicht leicht zu erkennen ist, ist eine genaue Diagnostik durch einen Arzt oder Therapeuten sehr wichtig. Bei Erektionsstörungen sollte immer darauf geachtet werden, ob nicht eine depressive Episode der eigentliche Grund ist.
Denn falls eine Depression vorliegt, hat eine Therapie nur dann Sinn, wenn die Ausheilung der Depression vorrangiges Therapieziel ist. Nach den Ergebnissen der neueren Depressionsforschung hat jede Depression zwar psychische Ursachen, das Krankheitsbild selbst liegt aber in einer Störung des Hirnstoffwechsel (insbesondere des Neurotransmitters Serotonin) begründet: Durch psychische Belastungen ist das Hirn dazu gekommen, unzureichend Serotonin zu bilden- und der Teufelskreis der Depression beginnt, weil für die eigene Serotoninbildung ausreichend Serotonin die Voraussetzung ist.
Aus diesem Teufelskreis hilft bei leichten und mittelgradigen Formen der Depression eine klar strukturierte Verhaltenstherapie, die zum Ziel hat, den Klienten zu aktivieren und Verhaltensweisen zu fordern, die zu einer Verbesserung des Serotoninhaushalts beitragen (z.B. mehr Sport). Ab einem bestimmten Schweregrad ist die Hinzuziehung eines Arztes unumgänglich und die zeitweise Einstellung mit einem Antidepressivum, welches dem Körper hilft, die Eigenproduktion mit Serotonin wieder zu normalisieren.
Allein durch die Ausheilung der Depression können in vielen Fällen auch Erektionsprobleme behandelt werden. Eines der bekanntesten Medikamente bei vorzeitigem Samenerguss, Priligy , ist übrigens chemisch gesehen ein SSRI (Serotoninwiederaufnahmehemmer) und damit ein Antidepressivum.
Ursachen für Erektionsprobleme: Psychische Belastungen und äußere Faktoren
Nicht jeder Mann mit Erektionsproblemen hat psychische Probleme, die im Krankheitenkatalog der ICD-10 (siehe oben) auftauchen. Auch „ganz normale“ psychische Belastungen können Erektionsprobleme verursachen, so etwa Stress am Arbeitsplatz oder in der Partnerschaft.
Sollten solche Belastungen nicht nur an einzelnen Tagen negative Folgen für die Sexualität haben (und dann sicherlich nicht nur für die Sexualität) , ist es wichtig, an der eigenen Work/Life-Balance zu arbeiten. Langanhaltender Stress macht krank- und Probleme beim Sex sind ein Warnzeichen, das ernst zu nehmen ist. Bei Nichtbeachtung der Warnsignale kann sich zum Beispiel aus einer eigentlich nur vorübergehenden Belastungssituation eine Depression entwickeln (oder eine andere körperliche oder psychosomatische Störung
Andere Belastungsfaktoren, die zu psychischen Problemen und zu Erektionsschwierigkeiten führen können, sind u.a.:
- Schlafmangel
- schlechte Ernährung
- zu wenig körperliche Bewegung
- Belastung durch psychischen Druck (Umzug, neuer Arbeitsplatz, Tod/Krankheit bei Freunden oder Familienangehörigen etc.)
- Veränderung der Lebenssituation (Heirat, Geburt eines Kindes etc.)
Ursachen für Erektionsprobleme (6):
Alkohol, Drogen und Nikotin
Was vielen Menschen erst spät oder sogar zu spät klar wird: Alkohol und Drogen (insbesondere auch THC-Cannabis) haben massive Einwirkungen auf den Serotoninhaushalt und damit auch auf die Sexualität. Kurzfristig wirken solche Substanzen meist anregend und können sogar die sexuelle Libido und Erlebnisfähigkeit steigern.
Diese Wirkung funktioniert durch Raubbau an den eigenen Ressourcen. So erwingen Alkohol und Cannabis die Ausschüttung von Serotonin in solcher Menge, dass der Körper in den Folgetagen und -wochen unterversorgt sein kann („Katerstimmung“). Die Stärke dieses negativen Effekts ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und kann sich im Laufe eines mehrjährigen Abusus deutlich verstärken.
Die körperliche Schädigung kann im Extremfall sogar irreversibel sein, d.h. Heilung ist nicht möglich, sondern nur die Suche, wie mit den Beeinträchtigungen relativ am besten umzugehen ist.
In jedem Fall ist hier suchtmedizinische Beratung erforderlich, möglicherweise eine Suchttherapie mit medizinischer und psychotherapeutischer Begleitung. Es ist definitiv keine Schande, sich hier Hilfe zu holen. Eine Sucht ist kein moralisches Laster, für das ich einen Menschen verurteilen kann, sondern eine schwere Erkrankung, die professionell behandelt gehört.
Nikotin kann die Potenz eines Mannes so sehr schädigen, dass keine Heilung mehr möglich ist. Daher ist für einen Mann, der sich seine Potenz langfristig erhalten will, sehr wichtig, mit dem Rauchen aufzuhören und ggf. auch therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Denn langjähriger Nikotingenuss greift über die Jahre schleichend die Gefäße an und die Arterien verschließen sich. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das „Raucherbein“. Aber auch im Bereich der Genitalien kann Rauchen zu Durchblutungsstörungen führen und zu einer Störung der Blutzufuhr in den Penis (der „Raucher-Penis“ ist oft die Vorstufe eines späteren „Raucher-Beins“).
Darüber hinaus kann es durch Rauchen und durch Aufnahme der im Tabak enthaltenen Giftstoffe auch zu einer Schädigung der Muskulatur um den Schwellkörper kommen, was die Blutzufuhr zum Schwellkörper und damit auch die Erektion noch weiter erschwert.
Gute Gründe also auch hier, rechtzeitig zum Arzt zu gehen und sich therapeutische Hilfe zu suchen.