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Probleme in der Partnerschaft

Überall Feinde- paranoide Persönlichkeitsstörung?

Paranoide Persönlichkeitsstörung? Apokalyptische Reiter. Gemälde von Wiktor Wasnezow 1887

 

 

Paranoide Persönlichkeitsstörung- ständig Verdacht und Misstrauen

Ein Erfahrungsbericht

 

 

Das Zusammenleben mit meinem Mann war schon immer schwierig. Immer musste er Recht behalten, in letzter Instanz, auch den Kindern gegenüber. Er kann sehr schnell irrsinnig wütend werden. Am schlimmsten ist, dass er mich selbst immer wieder der Untreue verdächtigt, obwohl das völlig absurd ist.

 

 

In der Öffentlichkeit sind die Zornausbrüche meines Mannes besonders in dem Heimatverein gefürchtet, wo er der Vorsitzende ist. Da rastet er regelmäßig aus, wenn jemand etwas sagt, was nicht genau seiner Meinung entspricht. Er glaubt dann sofort, das ginge darum, ihn ganz persönlich zu kränken. Besonders schlimm ist es, wenn neue Leute dem Verein beitreten wollen: dann denkt er sofort, das gehe nur denen darum, ihm seinen Vereinsvorsitz streitig zu machen. Er riecht dann regelrecht überall die Verschwörung.

 

 

Seit einem halben Jahr hat er nun im Beruf eine neue Abteilung bekommen- seither ist er kaum noch auszuhalten. Er redet auch zuhause nur noch davon, dass er seine Mitarbeiter verdächtigt, bewusst Unterlagen zu fälschen, um ihm zu schaden. Die Leute würden ihn hintergehen und blöd behandeln, nur weil er sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet habe. Und dies Problem kenne er schon seit seiner Schulzeit: da waren es die Lehrer und Mitschüler gewesen, die ihn ständig hinter seinem Rücken gehänselt hätten.

 

 

Als ich dann versucht habe, ihn davon zu überzeugen, dass er auf der Arbeit bestimmt nicht gemobbt wird, sondern eher von seinen Mitarbeitern gefürchtet, hat er mir dann vorgeworfen, dass ich mit diesen Leuten wahrscheinlich unter einer Decke stünde. Und er ging noch weiter mit seinen Vorwürfen: Er habe schon lange den Verdacht, dass ich ihn mit seinem Stellvertreter betrügen würde. Dabei ist das vollkommener Unsinn!

 

 

Ich habe ihm zwar deutlich zu verstehen gegeben, dass das alles absurd ist, aber ich merke, dass er seither mir heimlich hinterher spioniert und Beweise gegen mich sucht. So habe ich ihn neulich dabei überrascht, wie er die Anrufprotokolle auf meinem Handy kontrolliert hat.

 

 

Ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll.

 

 

Frauke N. (Name geändert)

 

 

Diagnostische Anhaltspunkte

 

 

Hallo Frauke,

 

 

aus dem, was Sie schreiben, lässt sich mit Sicherheit keine endgültige Diagnose über Ihren Mann stellen. Dazu wäre eine längere Untersuchung durch einen Facharzt für Psychiatrie nötig- wobei natürlich sehr fraglich ist, ob Ihr Mann jemals einer solchen Untersuchung zustimmen würde.

 

 

Allerdings ist sein Verhalten, so wie Sie das schildern, durchaus in psychologischer Hinsicht auffällig. Und es ist nachvollziehbar, dass Sie unter diesem Verhalten leiden.

 

 

Mögliche Hinweise auf eine paranoide Persönlichkeitsstörung 

 

 

Offenbar handelt es sich bei seinem Problem um ein Verhaltensmuster, das ihn schon seit seiner Schulzeit begleitet. Ein solches über die ganze Lebenszeit gleich bleibendes Störungsbild lässt aus psychologischer Sicht das Vorliegen einer sogenannten Persönlichkeitsstörung vermuten. Das permanente Misstrauen und seine Streitsucht könnten Indizien für eine paranoide Persönlichkeitsstörung sein.

 

 

Nach dem Krankheitskatalog der Weltgesundheitsorganisation ICD-10 (F60.0 und Anhang 1) müssen für die Diagnose paranoide Persönlichkeitsstörung neben den allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung mindestens vier der folgenden Zusatzkriterien erfüllt sein:

 

 

  1. Große Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung;
  2. Unfähigkeit, subjektiv erlebte Beleidigungen oder Missachtungen zu vergeben
  3. Generelles Misstrauen, auch bei freundlicher oder neutraler Haltung anderer
  4. Streitsucht und starres Beharren auf eigenen Rechten
  5. Häufig unberechtigtes Misstrauen gegenüber der sexuellen Treue des Partners
  6. ständige Selbstbezogenheit und Überheblichkeit;
  7. häufige Verschwörungstheorien über Menschen der Umgebung, die einem schaden wollen

 

 

Im Fall Ihres Mannes ergeben sich hier einige deutliche Übereinstimmungen mit den Kriterien:

 

 

  • Generelles Misstrauen: Neue Vereinsmitglieder erscheinen sofort als Leute, die ihm den Vereinsvorsitz streitig machen wollen
  • Unberechtigte Verdächtigung des Partners auf sexuelle Untreue
  • Ständige Selbstbezogenheit in seinen Gesprächsthemen zuhause
  • Verschwörungstheorie gegenüber Kollegen am Arbeitsplatz

 

 

Mögliche Ursachen für eine paranoide Persönlichkeitsstörung 

 

 

 

Die Ursache für die Ausbildung einer paranoiden Persönlichkeit liegt nach Ansicht der meisten Experten in massiven Grenzverletzungen, die ein Kind durch engste Bezugspersonen erleiden musste, von ständiger Bevormundung bis hin zu sexuellen Misshandlungen. Das Kind lernte so, grundsätzlich jedem und allen zu misstrauen. Die einzige Person, der es auf dieser Welt trauen kann, ist nur man selbst.

 

 

Der Schutz des eigenen Territoriums ist für einen solchen Menschen absolut lebenswichtig, auch die strengste Sicherung der eigenen Grenzen gegenüber möglichen Übergriffen. Es ist daher absolut wichtig, überall immer selbst die völlige Kontrolle zu haben. Ständige Wachsamkeit gegen mögliche Übergriffe und ständige Kampfbereitschaft sind der einzig mögliche Selbstschutz.

 

 

Dazu gehört auch, dass bereits bei sehr geringen vermeintlichen Grenzverletzungen durch andere sofort massiv eingeschritten wird, etwa durch einen Zornausbruch. Dass andere Menschen deswegen von einem abrücken oder einen als gefährlich und jähzornig empfinden, sieht ein Mensch mit paranoider Persönlichkeitsstörung eher als positiv an: durch solche Einschüchterung der anderen sinkt ja das Risiko, selber angegriffen zu werden.

 

 

Auch wenn andere Menschen potentiell ständig als Bedrohung empfunden werden, ist ein Mensch mit paranoider Persönlichkeitsstörung selten ein Einzelgänger: denn er benötigt möglichst viele Bundesgenossen und Vasallen, die ihn bei seinem Kampf unterstützen. Um selber keine Gefahr zu sein, müssen diese Menschen sich ihm aber komplett unterordnen, seien es nun die anderen Mitglieder im Verein, die Arbeitskollegen oder auch der/die Ehepartner/in und die eigenen Kinder.

 

 

Solange diese Unterordnung stimmt, kann ein Mensch mit paranoider Persönlichkeitsstörung durchaus fürsorglich sein und sich mit großem eigenen Elan für seine „Vasallen“ einsetzen: sie sind dann ja sozusagen Teil seines eigenen Ich.

 

 

Umgangsstrategien mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung

 

 

 

Vielleicht ist es für Sie eine Erleichterung zu wissen, dass die Probleme Ihres Mannes mit größter Wahrscheinlichkeit nicht in den tatsächlichen aktuellen Lebensumständen begründet sind und auch nicht an Ihrer Person als Ehefrau liegen, sondern in der psychischen Gesamtdisposition ihres Mannes.

 

 

Von daher bieten sich zwei Hauptumgangsstrategien an:
deeskalieren und ausweichen.

 

 

Es ist zum Beispiel für Sie wenig sinnvoll, wenn Sie seinen Verschwörungstheorien über die Kollegen widersprechen: Auf diese Weise ziehen Sie nur ebenfalls den Argwohn Ihres Mannes auf sich. Und Sie werden jetzt selber verdächtigt, ihn hintergangen zu haben.

 

 

Auch seinen Verdacht auf sexuelle Untreue und seine Handy-Nachforschungen sollten Sie am besten schlicht und einfach ignorieren. Ein Auflehnen dagegen könnte Ihr Mann wohl nur als Eingeständnis Ihrer Schuld oder als Aufkündigung Ihrer Solidarität verstehen.

 

 

Wenn Sie ein Interesse daran hat, die Beziehung mit Ihrem Mann zu erhalten, ist es am besten, Sie weichen allen offenen Konfrontationen mit ihm so gut wie möglich aus. In Bezug auf die Streitigkeiten Ihres Mannes im Verein und am Arbeitsplatz können Sie versuchen, soweit das überhaupt möglich ist, zu deeskalieren, indem Sie beispielsweise die Vorteile herausstellen, die ein neues Mitglied dem Verein und damit auch Ihrem Mann bringt.

 

 

Das kann aber nur funktionieren, solange Sie bei ihrem Mann bereits vorhandene positive Gedanken bestärken: also ihm zum Beispiel deutlich machen, dass neue Mitglieder im Verein seine Position und den Einfluss des Vereins in der Öffentlichkeit stärken und nicht schwächen werden.

 

 

Jede offene Kritik an Ihrem Mann oder jeder Beschwichtigungsversuch würde bestehende Probleme nicht deeskalieren, sondern würde nur bedeuten, Öl ins Feuer zu gießen.

 

 

Wenn Sie dazu weitere Fragen haben, freue ich mich über Ihre Nachricht.

 

 

Mit freundlichen Grüßen
© M.Petery.
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

 

 

PS:
Weitere Infos im Beitrag: Persönlichkeitsstörungen als Problem in der Partnerschaft und im Artikel Paranoide Persönlichkeitsstörung im Blog Arztphobie.com.

 

 

Von mpetery

Zuletzt aktualisiert am 19.09.2017.

Ein paar Worte zu meiner Person:
Mein Name ist Michael Petery, bin verheiratet und arbeite in Hildburghausen (30km nordwestlich von Coburg) in meiner Praxis für Psychotherapie gemäß Heilpraktikergesetz.

Studiert habe ich in Tübingen, Paris und Berlin. Bis 2014 war ich am Universitätsklinikum in München-Großhadern tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Palliativmedizin und der Professur für Spiritual Care bei Prof. Dr. Eckhard Frick (Pychiatrie) und Prof. Dr. Traugott Roser (ev. Theologie). Daneben habe ich meine Klienten in eigener Praxis in München-Schwabing betreut.

Leitfiguren für meine therapeutische Arbeit sind Carl Rogers (clientenzentrierte Gesprächstherapie), Fritz Perls (Gestalt-Therapie) und Irvin D. Yalom.

2 Antworten auf „Überall Feinde- paranoide Persönlichkeitsstörung?“

Das begleitet mich seit meiner Jugend. Ich kann nicht sagen,das das ne schöne Sache ist. Es verhindert ein qualitaives Leben. Sich am Leben erhalten. Mehr geht nicht. Jetzt bin ich 50, und das wird immer schlimmer, weiß nicht ob ich das so hinbekomme, mein natürliches Ende zu erleben. Solangemache ich halt weiter..

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